Full text: Feldherr und Volksheld

16 Erſte Abteilung. 
„Man glaubt, bei Gott, Colbert ſelbſt reden zu hören!“ bemerkte 
lächelnd der Graf. „Zum Glück denken nicht alle wie Sie und er, am 
wenigſten Louvois, deſſen Wahlſpruch Machterweiterung durch Ausdehnung 
der Grenzen heißt. Mehr einträgliche Provinzen, mehr Dörfer, Städte! 
Immer mehr! Wo die Macht, iſt auch das Recht. Zum Glück, wiederhole 
ich, folgt der König ſeinem Wort!“ 
„Zu ſeinem und Frankreichs Unheil, mein Freund, denken Sie an mich“, 
warf leiſe der Marquis ein. 
„Sie ſind ein unverbeſſerlicher Schwarzſeher“, lachte halblaut der andre. 
„Der Erfolg wird zeigen, wer recht hatte. Se. Majeſtät wiſſen am beſten, wo 
der Hebel anzuſetzen iſt. Vor allem gilt es jetzt Oſterreich lahm zu legen und 
ihm neue und alte Feinde auf den Hals zu hetzen. Ihnen iſt ja nicht unbe⸗ 
kannt, daß es gelungen iſt, den alten Erbfeind des Hauſes Habsburg, den 
Großherrn in Konſtantinopel, nach zwanzigjährigem Waffenſtillſtand zum 
Einfall in Bosnien zu bewegen, daß Geld und wohl angebrachte Worte“ 
Er vollendete nicht; denn in dieſem Augenblick öffneten ſich die Flügel⸗ 
thüren; das Lachen und Plaudern umher verſtummte; die Damen und Herren 
ſtellten ſich zu beiden Seiten des Saales auf — der König trat ein. 
Mit der ihm eignen majeſtätiſchen Würde und gewinnenden Freundlichkeit, 
hier und da einen Bevorzugten grüßend oder ein gütiges Wort redend, ſchritt 
der Monarch langſam durch die Reihen. Plötzlich runzelte er die Stirn; er 
hatte den Prinzen Eugen bemerkt, der abſichtlich etwas vorgetreten war. 
„Sieh da, mein Prinz, Sie?“ ſagte er gedehnt; „was führt Sie hierher?“ 
Sich tief verbeugend brachte Eugen in geziemender Weiſe ſein Anliegen 
vor. Faſt mitleidig ruhte der Blick des ſtolzen Monarchen auf der ſchwäch— 
lichen Geſtalt des Bittſtellers, dann erwiderte er ſcheinbar huldvoll, doch 
mit unverkennbar durchklingendem Spott: 
„Mein lieber Prinz, ich verſtehe mich auf die Menſchen und habe ja 
ſchon manchem wackeren Manne den Weg gezeigt, auf welchem er der Menſch— 
heit nützlich werden, ſich ſelbſt eine ehrenvolle Stellung und innere Befrie⸗ 
digung verſchaffen konnte. Daher rate ich Ihnen mit gutem Bedachte, werden 
Sie Ihrer Beſtimmung zum geiſtlichen Stande nicht untreu; die Natur hat 
Sie ſichtlich dazu auserwählt. Ich werde allen Einfluß geltend machen, Sie 
ſollen raſch befördert werden; Ihnen winken die höchſten geiſtlichen Würden, 
Sie können Biſchof, Kardinal, ja ſelbſt Papſt werden. 
„Sie möchten Einwand erheben? — Wie? — Ich nehme es nicht an; 
denn es iſt unwiderruflich beſchloſſen — bei meinem Wort. Sie bleiben für 
den geiſtlichen Stand beſtimmt.“ — Der Monarch wandte ſich ab und ſetzte 
ſeine Wanderung fort, während Eugen unbeweglich auf ſeinem Platze verharrte. 
Um ihn flüſterten und lachten die Höflinge ſpöttiſch, hämiſche Worte trafen 
U „ſeine Augen flammten. 
ſein Ohr; dunkle Glut ſtieg in ſein Geſicht
	        
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