7²
glücklich, Ihnen das in Polen vergelten zu können. Es war ein
Augenblick, für welchen ich dem Bimmel danke!“
„Ja, zwei Minuten ſpäter“, ſagte Seume, „und die Beſtien
hätten mich zerriſſen; aber nun, Freund, ſchaffen Sie mir einen
Biſſen und einen Trunk, ich falle beinahe um, denn ſeit mehr
als zwei Tagen habe ich nichts genoſſen!“
„O kommen Sie, kommen Sie!“ Indem er den Schwachen
ſtützte, führte ihn Dechard nach ſeiner Wohnung, und als ſie
hier beiſammen ſaßen bei einem ſtärkenden Imbiß, tauſchten ſie
ihre Schickſale aus. Dechard hatte, als er von den HBeſſen freikam,
ſein Abenteurerleben wieder aufgenommen, und die polniſche
Bewegung hatte ihn endlich hierhergelockt.
Seume fragte, was nun mit ihm werden ſolle, und der andere
antwortete:
„Vorläufig bleiben Sie unſer Gefangener, und ich bürge
dafür, daß es Ihnen nicht ſchlecht gehen ſoll; ſobald es mit
Sicherheit geſchehen kann, ſind Sie frei!“
„Ja, glauben Sie denn, Warſchau halten zu können, wenn
die Ruſſen aufs neue heranrücken d“
Die Miene des Franzoſen wurde ernſt.
„Nein, mein Freund — das glaube ich nun nicht mehr.
Nachdem ich hier das Geſindel geſehen habe, das nicht wert iſt,
frei zu ſein und nicht verdient, daß anſtändige Leute ſich dafür
ſchlagen, glaube ich es nicht. Ein Volk, das um ſeine Freiheit
ringt, muß anders ausſehen!“
„Das meine ich auch“, erwiderte Seume — „ſittlicher Ernſt
und zähe, heilige, reine Kraft ſind nötig, um ein Volk auf die
Höhe zu führen, auf der es würdig exiſtieren kann. Ideale
müſſen in ihm lebendig werden. — Dieſe Banden hier ſind der
Vernichtung wert, und doch jammern ſie mich. Sie ſollen ſehen,
dies Warſchau wird, wenn es alle Greuel der Pöbelherrſchaft
erfahren hat, noch ein Blutbad ſchauen, wie es nicht fürchterlicher
ſein kann!“
„Laſſen wir heute die Sukunft, Freund! Denken wir der
Vergangenheit und leben wir der Gegenwart. Ich trinke auf Ihr
Glück!“
Seume ſtieß dankbar an.
„Mein Glück d! — Wiſſen Sie, worin ich es ſuche? — In
der Beimkehr nach Deutſchland. Gerade in dieſen greuelvollen