weiß, ſie ſind bei ihm ſo ſicher, daß man ſie mit glühenden Sangen
ihm nicht entreißen würde.“
„Woher haben Sie denn dies Prachtexemplar von Sekretär?“
fragte der Beſucher nicht ohne Spott.
„Seume hat wunderliche Schickſale durchgemacht; iſt von den
Heſſen in engliſchen Sold verkauft worden nach Amerika, war
zwangsweiſe preußiſcher Soldat und dann Magiſter in Leipzig.
Dort hat er die Söhne meines Bruders erzogen und unterrichtet,
und dieſer hat ihn mir zugeführt. Er iſt ſehr unterrichtet, macht
auch gute Verſe und hat ein treffliches Gemüt. Dabei iſt er
gerade und offen und ſpricht, wie es ihm ums Herz iſt, und das,
glauben Sie mir, tut in unſeren Verhältniſſen, wo überall Lug
und BHeuchelei iſt, ungemein wohl. Er iſt eine echt germaniſche
Kraftnatur und zeigt, was die Deutſchen ſein könnten, wenn ſie
wollten.“ — —
Bei der Mittagstafel hatte der Graf Gelegenheit, Seume
wiederzuſehen. Er bemerkte, wie ſich der Herr Sekretär in der
vornehmen Geſellſchaft des Generals zwanglos und frei bewegte,
und wie er ſelbſt von hochgeſtellten Perſönlichkeiten mit beſonderer
Rückſicht behandelt wurde.
Das Geſpräch kam naturgemäß auf die politiſchen Verhält⸗
niſſe. Der Sieg Noscziuskos hatte die Gemüter erregt, heftige
und gehäſſige Worte fielen gegen den polniſchen Inſurgenten⸗
führer, nur Seume ſaß ſtumm. Als aber Graf Karin ſich geradezu
in Schmähungen erging gegen die Polen und ihren Führer, ſagte
Seume ruhig:
„Das iſt eine wenig würdige Art, die Sache zu behandeln.
Koscziusko iſt ein tapferer und ein edler Mann, denn wer in den
Tagen der Not zu ſeinem Volke ſteht und für deſſen Recht und
Ehre eintritt, verdient Achtung. Und daß die Polen ſich wehren
für ihre Freiheit, welcher ehrliche Mann kann ihnen das verargen d
— Meine Herren, wenn Sie Polen wären, würden Sie heute
Noscziusko feiern, da Sie es nicht ſind, dürfen Sie ihn nicht
ſchmähen!“
„Das klingt ſeltſam im Munde eines ruſſiſchen Offiziers!“
ſagte ſpöttiſch der Graf, und Seume erwiderte:
„Ich bin ein Deutſcher und werde das nie verleugnen; ich
werde aber, wenn es ſein muß, als ruſſiſcher Offizier meine