Full text: Aus Tagen deutscher Not

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Dann wendete er ſich dem Bürger zu. Dieſer ſah ihn mit 
weitgeöffneten Augen ſtarr und groß an und ſtammelte: 
„Ja — ich weiß nicht ... täuſche ich mich — oder ...“ 
Nun ſah auch Seume ihm ſchärfer ins Geſicht, und vor 
ſeiner Erinnerung ſtand plötzlich der Schiffsſchneider Kurt 
Dornbuſch. 
„Ihr, Dornbuſch — ja, wie kommt Ihr denn nach War⸗ 
ſchau d. 
„Das möcht ich Euch fragen, Berr Seume — o, ich hab' oft 
an Such gedacht und immer gehofft, daß mich der Bimmel wieder 
mit Such zuſammenführen würde — und nun iſt's doch geworden, 
ach wie ich mich freue!“ 
„So kommt erſt mit zu mir und ſagt mir auch, was Ihr 
beim General wollt, vielleicht kann ich helfen!“ 
An dem verdutzten Lakaien vorüber führte er den Schneider 
nach ſeinem Gemache, ließ ihn niederſetzen, und nun berichtete 
Dornbuſch kurz und bündig, wie er nach der Rückkehr aus Amerika 
erſt ein Wanderleben geführt habe, und wie er, verbittert über 
die traurigen Zuſtände in Deutſchland, nach Polen gekommen 
ſei. Bier habe er ſich mit einer Deutſchen verheiratet und es 
gehe ihm auch ziemlich gut, aber die Beimat könne er doch nicht 
vergeſſen und es ziehe ihn dahin wie an tauſend Fäden ... 
„Wie mich ſelber, denn das Vaterland bleibt ſelbſt mit ſeinen 
Schatten noch das liebe Vaterland, welches auch die ſonnigſte 
Fremde nicht erſetzen kann“, ſagte Seume beinahe wehmütig. — 
„Aber hier iſt's auch nicht erfreulich, beſonders wenn man wieder 
Zeuge werden ſoll, wie ein Volk ſich wehren muß um ſeine 
Freiheit. Aber was wollt Ihr bei dem Generald“ 
„Ach, das iſt e ine heikle Geſchichte. Da iſt ein Oberſt Pergold, 
der läßt ſeit Jahren bei mir arbeiten — er iſt reich und vornehm 
— aber ich habe noch keinen Beller Lohn erhalten. Ich habe 
gebeten und mich vor ihm gedemütigt in jeder Weiſe, denn ich 
brauche doch auch das Geld; geſtern hat er mich nun gar mit 
Fußtritten aus ſeinem Bauſe gejagt, aber gezahlt Hat er nicht. 
Da wollte ich den General bitten, mir zu helfen!“ 
„So“ — ſagte Seume — „das iſt ja eine ſaubere Geſchichte! 
Und der Berr Oberſt wirft Runderte hinaus am Spieltiſch und für 
Pferde . . . Mommt, Berr Dornbuſch, es iſt zwar heute kein guter 
Tag, aber für Gerechtigkeit muß jeder Tag gut ſein.“
	        
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