Full text: Aus Tagen deutscher Not

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den andern habe ich .. am Tage nach dem Morde .. gefunden, 
der Aratzmann mag ihn verloren haben .. Ich hab' ihn behalten, 
weil ich den Wert kannte — nun gebe ich ihn Euch — als Dank...“ 
„Ich werde ihn dem Uloſter in Würzburg zuſtellen. . .“ 
„Vein, nein!“ wehrte haſtig der Uranke .. „er gehört nicht 
dem Äloſter — er gehört niemandem, — auch der Schaffner hat 
ihn durch Täuſchung des Beſitzers billig erworben — behaltet 
ihn — behaltet! ..“ 
Er ſank zurück mit geſchloſſenen Augen, ein Sittern lief durch 
den Rörper, dann war er ruhig. Seume wußte, daß es mit ihm 
vorbei war. Schaudernd drückte er dem Unglücklichen die Augen 
zu und betete ergriffen das Vaterunſer. Dann barg er die Gabe 
Beckers in ſeinem Gewande und ging, um die Meldung von ſeinem 
Tode zu machen. 
ZJedem graute es vor dieſem Leichnam — niemand wollte ihn 
anfaſſen, bis einige rohe Geſellen, denen man eine größere Ration 
Rum gab, ihn fortſchleppten und über Bord warfen. Seume 
war von dem ganzen Vorgange tief erſchüttert. An die Brüſtung 
des Verdecks gelehnt, ſah er hinab, wie die Wellen aufſpritzten, 
einige Kreiſe zogen, und dann war es vorüber. Ihm aber war 
es, als müßte er den Weißenburger Taler — das Geld der Sünde 
— ihm nachwerfen in ſein großes, feuchtes Grab. Doch er 
beſann ſich. Dazu war er nicht berechtigt; das Vermächtnis des 
Toten mußte der Wiſſenſchaft erhalten werden, und vielleicht 
konnte es einſt noch Seugnis geben gegen Peter Uratzmann! Er 
ſah die im matten Silberglanz blinkende Münze mit ihrem alten, 
ſcharfen Gepräge an — es war ihm wunderlich, daß ſie einen 
beſonders hohen Wert haben ſollte — dann ſteckte er ſie ſorgſam 
wieder ein. 
Sweiundzwanzig Wochen waren vergangen, bis man endlich 
die Rüſte von Akadien erblickte und unter einem allgemeinen 
Freudenrauſche in den Bafen von Halifax einlief. 
Der alte Kapitän verabſchiedete ſich von Seume mit einer 
gewiſſen Berzlichkeit, der Schneider Dornbuſch mit Rührung. Dem 
Burſchen rannen die Tränen aus den Augen und er ſagte: 
„Mir iſt's, als müßten wir uns wiederſehen, Berr Seume! 
Weiß Sott, ich hab' Euch lieb gewonnen, und werde viel an Euch 
denken. Gott ſei mit Euch!“ 
„Auch mit dir, Freund!“ ſagte Seume ergriffen, dann ſtieg 
er die Schiffstreppe hinab.
	        
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