Full text: Aus Tagen deutscher Not

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ſtark geſchwefelt, dickflüſſig und trübe war, konnte kaum genoſſen 
werden. Aber die beiden ſeihten es durch ein Tuch und hielten 
ſich beim Trinken die Naſe zu, um durch den Geruch nicht geſtört 
zu werden, und mit einem Scherze ſuchten ſie ſich über die 
Unannehmlichkeiten fortzuhelfen. 
Anders ſah es mit dem früheren Monche Becker aus. Er 
hatte nicht die Seekrankheit bekommen, aber er gab an, nicht 
geſund zu ſein, und verließ faſt nie ſein Lager. Da der Arzt keine 
Krankheit an ihm finden konnte, er aber trotzdem nichts tun 
wollte, ward er zuletzt zu allen Verrichtungen geprügelt, und als 
auch das nichts nützte, ließ man ihn endlich liegen. Seume hatte 
ſich vergebens bemüht, durch ſein Sureden ihn zur Tatkraft und 
zu Lebensmut zu bringen — aber er wollte von gar nichts mehr 
wiſſen, und dämmerte in Schmutz und Elend hin, bis er auch 
faſt nichts mehr eſſen konnte. 
Es war ein widerwärtiger Anblick, den Menſchen, der ſich 
nicht mehr wuſch und kämmte, an deſſen Bänden man die Farbe 
nicht mehr erkannte, ſo daliegen zu ſehen, und es koſtete Seume 
Ueberwindung, ihn in ſeinem Sellkaſten aufzuſuchen, wo der ekel⸗ 
hafte Geruch bereits zurückſtieß. Eines Tages war er wieder zu 
ihm gekommen; bei dem matten Lichte, das in dem Raume 
herrſchte, ſchien das ſchmutzige Geſicht Beckers ihm verfallen, die 
Augen wie verglaſt zu ſein, und den Beſucher durchrieſelte ein 
Schauer, ein Gefühl, als ſtehe der Tod an dieſem Lager. Der 
Uranke taſtete nach ſeiner HBand, und er ließ ſie ihm, wenngleich 
widerſtrebend. Mit leiſer Stimme ſagte jener nun: 
„Seume, Ihr habt es allein noch gut gemeint mit mir, wenn 
ſich niemand weiter um mich gekümmert hat .. jetzt iſt's aus, 
und ich ſterbe wie ein räudiger Rund im Winkel. — Aber zuvor 
muß ich Euch danken, Seume, und noch eins!“ 
Er wühlte in den Lumpen ſeines Lagers und brachte endlich 
ein kleines ſchmutziges Päckchen hervor. 
„Ich hab Euch erzählt von Peter Kratzmann, der unſern 
Vloſter⸗Schaffner beſtohlen und gemordet hat. Er hat dabei 
auch einen Weißenburger Taler geſtohlen. . . Wißt Ihr, was 
ein ſolcher wert iſt? — Man ſagt, es ſeien nur zwölf geprägt 
worden im 16. Jahrhundert, und ſie werden hoch bezahlt. — 
Der Schaffner hatte zwei — den einen hat der Kratzmann, der 
war beſchädigt .. es fehlen zwei Buchſtaben der Umſchrift .
	        
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