Full text: Aus Tagen deutscher Not

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Schiffe der Hanſa die deutſche See beherrſchten und den Rönigen 
von Dänemark den Frieden diktieren konnten! Bürgertugend und 
Bürgerkraft wohnten da drüben frei und ſtark und trotzig, und 
Deutſchland konnte ſtolz ſein auf ſeine Hanſa und ihre Flotte, 
die wehrhaft ihre Rüſten ſchützte! Wer ſchützt ſie heuted — 
Rein einzig deutſches Schiff, das einem Feinde wehren könnte, den 
Fuß auf Deutſchlands Boden zu ſetzen! — Sind wir nicht eine 
elende Nation geworden, Wilhelm? — Deutſchland iſt wie ein 
zerriſſener Ceib ... und niemand will den Jammer ſehen!“ 
Die Genoſſen der Fahrt ſangen luſtige Schelmenlieder, als ſie 
gegen Bremen herankamen. Das leichtlebige Völkchen ſchien ſein 
Los vergeſſen zu haben. Seume ſchnitt es in die Seele. Auch das 
waren Deutſche, aber ſie hatten kaum das Bewußtſein davon, und 
da es eine größere Ration Branntwein gab, waren ſie vergnügt. 
In Bremerlee begann die Verladung auf die großen Trans⸗ 
portſchiffe. Behaglich war es hier nicht, denn der Einzelne hatte 
wenig genug Raum. Seume freute ſich, daß er mit Wilhelm 
Heiter und dem alten Schlippe beiſammen blieb, und auch Becker, 
dem das neue Leben bereits gar nicht mehr gefiel, hielt ſich zu ihm. 
— Sie ſtanden auf dem Verdeck und ſahen hinüber, wo die 
deutſche Küſte allmählich verdämmerte. Da wollte Seume doch 
eine Wehmut überkommen, aber er raffte ſich auf. 
„Leb' wohl, Vaterland!“ rief er — „wir kommen, will's 
Gott, wieder zu dir! Und drüben wollen wir feſthalten, was 
deutſch und gut iſt, und wollen hoffen auf beſſere Tage!“ 
Wilhelm BReiter fuhr ſich mit dem Rücken der Hand über die 
Augen; er dachte an ſeine Eltern und Geſchwiſter — aber er nahm 
ſich zuſammen, und ſagte: „Und wir wollen von der Heimat reden, 
wenn's uns einmal recht trüb um das Berz wird. Man weiß 
doch erſt, wie lieb man ſie hat, wenn man ſie verlaſſen muß!“ 
Es kam die erſte Nacht auf dem Schiffe. In der Seitenwand 
des Verdeckes waren Bettkaſten angebracht, zu zwei übereinander, 
und jeder für ſechs Mann beſtimmt; engere Verhältniſſe konnte es 
nicht geben. Vier Menſchen hätten etwa Raum gehabt in einem 
Raſten, die letzten zwei aber wurden noch hineingezwängt, ſodaß 
alle dicht aneinander gedrückt und auf der Seite liegen mußten. 
Die Nacht war warm, dumpfe Schwüle brütete in den Schlaf⸗ 
räumen, und man hörte Stöhnen und Fluchen. Umwenden und die 
unbequeme Lage wechſeln, konnte der Einzelne nicht. Seume
	        
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