Full text: Aus Tagen deutscher Not

„Wollt Ihr mich mitnehmend — Ich möchte den Staub 
Deutſchlands von den Füßen ſchütteln!“ 
„Hoho, Burſche, haſt wohl etwas auf dem Gewiſſend“ fragte 
der Offizier. 
„Daß ich nicht wüßte! Babe niemandem etwas Böſes getan, 
aber den Mönchen in Würzburg bin ich davon gelaufen und 
möchte nicht wieder in die Rutte! Sonſt iſt mir alles recht!“ 
„Ei, da iſt Er wohl ſo ein Stück Gelehrter, der Latein 
treibt? Meinethalb kann Er bleiben, und ich will's verantworten. 
So billig bekommt der Landgraf ſelten einen Mann. — Bier 
— trete Er ein ins Glied — da hat Er noch einen, der lateiniſch 
redet, und der ein großer Mann werden will!“ 
Er ſchob den ehemaligen Mönch neben Seume herein, der ihn 
mit einem Blick des Mitleids betrachtete. Er konnte es nicht 
begreifen, wie einer freiwillig die Freiheit, die er eben gefunden, 
wieder aufgeben möge, und ſprach das auch aus. 
„Was nützt mir die Freiheit, wenn ich dabei verhungere!“ 
ſagte der frühere Mönch. „Arbeiten habe ich nicht gelernt im 
Kloſter, und als Unecht mag ich mich auch nicht verdingen. Eine 
Schulmeiſterſtelle aber bekomme ich nicht, und muß auch gewärtig 
ſein, daß ſie mich in mein Rloſter zurückholen — ſchlechter kann's 
bei euch und in Amerika auch nicht ſein!“ 
„Will's euch gönnen!“ ſprach Seume — „mich freilich 
brächten ſie gutwillig nicht weg von der deutſchen Scholle. Wenn 
auch nichts davon mein gehört, lieb hab ich ſie doch, und leid 
wär es mir, wenn ich über dem großen Waſſer bleiben müßte. 
Da, wer noch für die Freiheit kämpfen könnte auf Seite der 
Unterdrückten, aber für dieſe protzigen Engländer ſeine deutſche 
Haut zu Markte tragen zu müſſen, iſt das bitterſte.“ 
Das Geſpräch ging weiter, dazwiſchen klang das Marſchlied, 
und eine Anzahl ehemaliger preußiſcher Soldaten und Deſerteure 
redeten laut und prahleriſch von den Siegen, die ſie unter Seidlitz 
und Siethen hatten mit erfechten helfen. 
So kamen ſie gegen Abend heran an eine kleine Stadt. 
In den Gaſſen liefen die Leute zuſammen, um den Sug zu 
ſehen, und darunter ſtand ein hagerer Geſelle mit der dampfenden 
DPfeife im Munde und den Händen in der Taſche. Ein hämiſches 
Lächeln lag auf ſeinem Geſicht, doch hielt er ſich etwas rückwärts 
hinter den andern. Da blickte Seume nach ihm hin, und ſogleich
	        
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