Full text: Aus Tagen deutscher Not

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denke, denn es war eine Luſt, und es galt fürs Vaterland, und 
niemals hätt' ich's gedacht, daß es in Deutſchland einen ſo er⸗ 
bärmlichen Flecken Erde geben könnte, wo man einen ehrlichen 
alten Soldaten mit Gewalt in eine engliſche Uniform verkaufen 
könnt'! Aber es wird wohl nicht anders werden, denn das mit 
dem Ausreißen ſchlagt euch aus dem Sinne, ÄUinder! Das glückt 
nicht, und wehe denen, die zuletzt die Seche bezahlen müſſen. Ich 
habe Aehnliches ſchon erlebt und rate euch: laßt die Bände davon! 
Beſonders Er, Berr Seume, ſollte mir leid tun, wenn Er wegen 
dem Volke, das zum Teil gar kein beſſeres Schickſal verdiente, 
Leben oder Geſundheit dran geben müßte!“ 
Das ging Seume im Ropfe herum die ganze Nacht. Am 
andern Morgen ſchlich ſich auf dem Exerzierplatz der Schneider 
an ihn heran. 
„Na, wie iſt's — wann ſoll's losgeh'n?“ fragte er, und 
in ſeinen Augen lag ein lauernder Schimmer, ſodaß Seume kurz 
erwiderte: „Weiß ich's? — Will mir das Ganze überhaupt 
noch überlegen!“ 
„So — überlegen!“ ſagte höhniſch der andere — „und wir 
ſollen warten, bis es Ihm gefällig iſt?“ 
„Auf mich braucht niemand zu warten — handle jeder, wie 
er will! Das kann Er weiterſagen, Dornbuſch — ich bin zu jung 
und unerfahren zum Führer in ſolchen Dingen, dabei bleibt's!“ 
Der Schneider brummte etwas Unverſtändliches und ging zu 
den andern, gleich darauf aber kam Wilhelm und ſagte: 
„Traue dem Dornbuſch nicht! Er kriecht bei den heſſiſchen 
Offizieren herum wie das böſe Gewiſſen — und laß die Geſchichte 
ſein! Bleiben wir, wo uns das Schickſal hinführt, der Bimmel 
wird ſchon wiſſen, wozu es gut iſt!“ 
„Das ſoll gelten, Wilhelm!“ antwortete Seume und reichte 
dem Freunde die Hand. 
Anfangs waren die Verſchworenen unmutig über den Rücktritt 
ihres Führers, aber er blieb feſt und entſchuldigte ſich ſtets mit 
ſeiner Jugend, und ſo ließen ſie ihn zuletzt ſtehen und machten die 
Sache unter ſich aus. In den Kaſernen, im Schloſſe, im alten 
Ritterſaale aber wurden die weiteren Abkommen getroffen, und 
endlich war man einig über den Tag. Um die Mitternacht bei 
dem letzten Schlage vom Schloßturme ſollten alle ausbrechen, 
die Wachen überrumpeln, Waffen aus dem Seughauſe holen, das 
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