Full text: Aus Tagen deutscher Not

Abend; der Schneider redete, und die zwei andern hörten ihm 
zu, ohne ſich an ſeinem Schwatzen beſonders zu erfreuen. Lieber 
wären ſie allein geblieben, aber ſie konnten ihn nicht abſchütteln. 
So kamen ſie in das Dorf und fragten nach der Herberge. Man 
wies ſie hin nach einem wenig anſehnlichen, alten, zuſammen⸗ 
geduckten Gebäude, über deſſen Türe das Wirtshauszeichen 
ſchwankte. In der Stube waren keine Gäſte, und ſo ließen ſie 
an einem CTiſche beim Fenſter ſich nieder und begehrten eine 
Atzung. 
„Ihr ſeid guter Leute Kinder — das merkt man“, begann 
der Schneider wieder — „und habt etwas zum Draufgehnlaſſen .. 
bei mir langt's gerade auf ein Gläschen Branntwein und eine 
Brotrinde.“ 
„Oermögend bin ich nicht, aber da wir an einem Tiſche 
ſitzen, wollen wir auch aus einer Schüſſel eſſen. Berbergsvater, 
bringt dem da Brot und Wurſt und einen Schoppen Grüne⸗ 
berger ...“ ſagte Seume. „Huidi — heute iſt Feiertag — es 
geht hoch her .. na, vergelt's Gott!“ rief luſtig der Schneider, 
und angeregt von dem Weine, wurde er immer ausgelaſſener und 
trieb Tollheiten und Poſſen. Dabei kam aber die gemeine Seite 
ſeines Weſens immer mehr zum Durchbruch, und Seume, der 
ſich beinahe angewidert fühlte, ſuchte unter dem Vorwande, müde 
zu ſein, ſein Lager. Der Schmied folgte ihm. 
Am liebſten wäre er am anderen Morgen allein, oder nur 
in Heiters Begleitung weiter gewandert. Aber der Schneider war 
beizeiten munter und geſellte ſich zu ihnen. 
„Hört, Jungen, mit euch reiſe ich weiter — ihr gefallt mir,“ 
rief er. 
„Ich gehe nach Paris!“ ſprach Seume abweiſend. 
„Parisd — Um, wäre auch nicht aus der Welt, und zuletzt, 
wo's einem gut geht, iſt man zu Hauſe. Warum ſollt' ich nicht 
mit nach Paris d — Das wäre zu überlegen. .. Und du?“ wendete 
er ſich an den Schmied. 
„Ich ſuche Arbeit, und wenn ich ſie nicht früher finde, 
wandere ich nach Emden zu meines Vaters Bruder, der mich 
wohl aufnimmt!“ 
„Pah, Arbeit!“ ſagte verächtlich Dornbuſch und ſchnipſte 
dazu mit den Fingern .. „der Rauptſpaß iſt das Wandern! Ich 
bleibe bei dem Studenten!“
	        
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