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durch die noch ſtillen Gaſſen von CTeplitz. Guſtav trug einen
Rranz von jungem, hellgrünem Eichenlaub; ſchweigend wendeten
ſie ſich nach dem Orte, wo ihr Freund begraben lag. Seine
ESiche war noch nicht völlig begrünt, aber der Sonnenſchein, der
über ſie hinflimmerte, lockte doch ſchon die zarten Blätter hervor.
Schweigen war ringsumher, als ob der Odem Gottes um das
ſtille, friedliche Dichtergrab wehe. An dieſem ſtand jetzt ein
preußiſcher Offizier, der den linken Arm in der Binde trug.
Er kehrte den Beiden den Rücken zu, bei ihrem Nahen aber
wendete er ſich um, und ſie erkannten Münchhauſen. Mit
ſtummem Bändedruck begrüßten ſich die drei Männer, welche
alle drei das eiſerne Kreuz auf der Bruſt trugen. Von Rührung
übermannt in Gedanken an den edlen Toten, ſtanden ſie eine
Weile, dann ſagte der Offizier:
„Ich komme jeden Tag hierher, um ihn zu begrüßen und ihm
zu erzählen, wie ſeine Sehnſucht ſich erfüllt hat; ich bin hier, um
meine Wunde auszuheilen!“
Und nun redeten ſie von dem Toten, und was er für ein
herrlicher, ſchlichter, edler Menſch geweſen und wie er ſein Vater⸗
land zärtlich geliebt hatte, bis in ſeinen TCod.
„Er war ein ganzer, echter deutſcher Mann!“ ſagte Wilhelm;
Guſtav aber legte den Eichenkranz nieder auf die Steinplatte, die
das Grab deckte und auf der in goldenen Lettern der Name:
„Johann Gottfried Seume“ ſtand.
Dazu ſprach er das Wort des jugendlichen Dichters Theodor
Rörner, der ſelbſt ſein Blut für das Vaterland gegeben:
Wachſe, du Sreiheit der deutſchen Eichen,
Wachſe empor über unſere Leichen,
Vaterland höre den heiligen Eid!
Feſt legten die drei Männer die Hände ineinander, und die
Sonne leuchtete hell über dem Bunde der deutſchen Herzen und
über dem ſtillen Grabe.
Und auch wir im Glanze des großen, wieder geeinten
Vaterlandes wollen dem edlen und tapfern deutſchen Berzen, das
all den Jammer jener Tage miterleiden mußte, ohne an ſeinem
Volk zu verzagen, allzeit ein ehrendes, hohes Angedenken wahren.