„Und doch .. . es kommt die Stunde der Erhebung!“ rief
der Jüngling begeiſtert, und von ſeinem aufleuchtenden Auge
ergriffen, faßte Seume ſeine Hand:
„Der Bimmel erfülle deine Zuverſicht! Aber wenn ich dann
nicht mehr bin, legt mir einen Eichenkranz aus dem befreiten
Vaterlande auf mein Grab!“ — — —
Es war vier Jahre ſpäter, im Juni 1810. In einem freund⸗
lichen Zimmer des böhmiſchen Badeortes Teplitz, deſſen Fenſter
hinausſchauten in ein frühlingſchönes Tal, ſaß Seume in dem
verſchnürten Rocke und den derben Stiefeln, wie er einſt als
Syrakus⸗Wanderer geſehen worden war, aber mit dem Wandern
war's vorüber, er war ein todmüder Mann. Freundesſorgfalt
bemühte ſich redlich um ihn, aber der Erfolg war zweifelhaft.
An ſeiner Seite ſaßen Wilhelm und Guſtav. Sie waren ge⸗
kommen, weil Meiſter Dornbuſch, der eben auch in Teplitz war,
ihnen geſchrieben hatte, wenn ſie den Freund noch einmal ſehen
wollten, müßten ſie eilen. Seume war glücklich, die treuen
Freunde wiederzuſehen, er plauderte, angenehm erregt, aber ſeine
Gedanken kamen immer wieder zurück auf die Not des Vater—
landes, die noch unverändert war.
„Sie läßt mich nicht ſchlafen, ſie läßt mich nicht leben! O
daß ich unſer Volk aufrütteln könnte aus ſeiner Schmach, aus
ſeiner Trägheit. Und ich kann nur in Worte, in leere Worte
mein heißes Empfinden ausgießen. Guſtav, dort auf dem Tiſche
liegen einige Verſe an das deutſche Volk. Lies ſie laut — ich
möchte ſie aus einem begeiſterten Jünglingsmunde hören. Viel⸗
leicht iſt's mein Schwanenlied an Deutſchland,“ fügte er weh⸗
mütig hinzu.
Guſtav aber ergriff das Blatt und las mit vor Erregung
bebender Stimme: ½)
Warum traf mich nicht aus einer Wolke
Gottes Seuer, eh' in meinem Volke
Ich die Greuel der Verwüſtung ſah?
Schmerzlich zuckt es mir durch die Gebeine
Bei der heißen Träne, die ich weine
Auf des Vaterlandes Golgatha!
) Das tiefempfundene, verzweiflungsvolle Gedicht des großen Patrioten
trägt ganz den Seitcharakter. Es iſt hier in gekürzter Sorm wiedergegeben.