Full text: Aus Tagen deutscher Not

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bund, und dieſer ein Sklave Frankreichs, bereit, die Waffen gegen 
das deutſche Berz zu kehren! O Jammer, nicht zu faſſen von 
einer deutſchen Seele. Rommen Sie, Dornbuſch — ich muß 
hinaus — ich erſticke hier an dieſem Gedanken!“ 
Er eilte fort auf die Straße, der Meiſter folgte ihm. Bei einer 
Ecke ſtieß er beinahe mit einem andern zuſammen; es war Schnorr 
von Carolsfeld, der berühmte Maler, ſein Freund, in deſſen 
ſchlichtem Familienkreiſe er manchmal abends verkehrt, Butter 
und Uartoffeln gegeſſen und die Kinder auf dem Schoß gewiegt 
hatte. Er faßte nach den Ränden des Malers: 
„Schnorr, was ſagen Sied — Der Rheinbund! — 
Deutſchland zerriſſen — kein nationales Bewußtſein mehr ...“ 
Dem andern wurden die Augen feucht, indes ihn Dornbuſch 
bat: „Belfen Sie mir ihn beruhigen, ſo habe ich ihn nie geſeh'n!“ 
Sie nahmen Seume in die Mitte und der Maler redete auf 
ihn ein: 
„Mut, Freund! — Voch iſt nicht alles verloren! Deutſchland, 
von ſeinen Fürſten aufgegeben, wird von ſeinem Volk wieder 
gewonnen werden. Und wenn das deutſche Reich und Kaiſertum 
untergeht, die deutſche Nation lebt noch und ſie regt ſich. Aus 
dem Geiſte muß ihre Kraft geboren werden, und das wird ge— 
ſchehen. Fühlen Sie denn nicht allenthalben ſeinen Flügelſchlag d.. 
Die großen Ideale unſeres Volkes ſind gehütet und geborgen in 
den Werken unſerer Dichter und Denker, wie Samen in Blüten⸗ 
kelchen. Man wird dieſe Blüten nicht knicken können. Bören Sie, 
wie in unſeren Hochſchulen berufene Männer die Jugend heran⸗ 
bilden an großen, geſchichtlichen Erinnerungen, hören Sie von den 
Theatern die Stimme unſeres Schiller, der in ſeinem „CTell“ uns 
ein heiliges Vermächtnis gegeben, das uns immer wieder mahnt: 
Ans Vaterland, ans teure ſchließ' Dich an, 
Das halte feſt mit deinem ganzen Berzen, 
Hier ſind die ſtarken Wurzeln deiner Kraftl 
Meinen Sie, daß das alles vergebens iſt?ꝰ — Nein, Freund, die 
alte Form wird zerbrochen, die Spreu wird vom Weizen geſondert, 
aber das Mark der Nation iſt gut. Dafür bürgt mir auch der 
Umſtand, daß Männer leben wie Sie ...“ 
„Und wie Sie!“ rief Seume begeiſtert, und nun floßen ihm 
Tränen aus den Augen. — „Uommt, ihr Beiden, wir müſſen 
weiter reden vom Vaterlande! O wie tut es wohl, in unſeren
	        
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