28 SDStte François Bourgogne Seeeeette
die ſich durch Tapferkeit beſonders hervorgetan und ihr Blut mehr als
einmal im Kampf vergoſſen hatten.
Ich fand hierbei Zeit und Gelegenheit, mir einige der Sehens-⸗
würdigkeiten, die der Kreml barg, genauer zu betrachten. Während
andere Regimenter beſichtigt wurden, beſuchte ich z. B. die St. Michaels⸗
kirche, die Begräbnisſtätte der ruſſiſchen Kaiſer. In den erſten Tagen
nach unſerer Ankunft waren Gardechaſſeure, die im Kreml als Wache
zurückgelaſſen worden waren, in das großartige Grabgewölbe ein—
gedrungen. Statt der erhofften Schätze hatten ſie aber nur mit Sammet⸗
decken verhüllte Sarkophage und eine Anzahl angeſehene Perſönlich⸗
keiten der Stadt vorgefunden, die bei den Toten Schutz geſucht hatten.
Unter dieſen war auch ein junges, ſchönes Mädchen, welches, wie man
ſagte, einer der beſten Familien Moskaus angehörte. Dasſelbe beging
die Torheit, ſich in einen höheren Offizier der Armee zu verlieben, und
die noch viel größere, ihm auf dem Rückzug zu folgen. Während des-
ſelben kam ſie dann, wie ſo viele andere, vor Hunger und Kälte elend um.
Aus den Grabgewölben der St. Michaelskirche begab ich mich zu
der berühmten Glocke. Ihre Höhe beträgt neunzehn Fuß. Ein großer
Teil war durch ihr ungeheures Gewicht in die Erde geſunken, als ſie
bei der Zerſtörung des Turms durch das Feuer herabſtürzte.
Nicht weit von der Kirche, dem Schloß gegenüber, liegt das Arſenal,
an deſſen Eingang zu beiden Seiten des Tores zwei mächtige große,
alte Geſchütze ſtehen. Ein wenig mehr nach rechts befindet ſich die
Kathedrale mit ihren neun Türmen, die mit vergoldetem Kupfer ge—
deckt ſind. Auf dem höchſten derſelben ragte das Kreuz Zwans des
Großen über alles andere empor. Es war dreißig Fuß hoch, aus Holz
gefertigt und mit ſtark vergoldeten Silberplatten beſchlagen; mehrere
gleichfalls vergoldete Ketten hielten es auf allen Seiten.
Einige Tage ſpäter wurden Zimmerleute und Oachdecker von den
Truppen kommandiert, um es herabzuholen, weil es als Trophäe nach
Paris geſchickt werden ſollte. Als es aber von ſeinem Halt gelöſt war,
erwies ſich ſeine Schwere zu groß, und die Leute, die es an den Ketten
hielten, mußten loslaſſen, um nicht herabgeriſſen und zerſchmettert zu
werden. Ganz ebenſo erging es mit den großen Adlern, welche die
Spitzen der in der Amwaͤllungsmauer des Kreml ſtehenden Türme
krönten.
Um Mittag war die Beſichtigung beendet; beim Abmarſch kamen
wir durch das ſchon einmal erwähnte Tor, wo der große Heilige Niko⸗
laus ſteht. Dort ſahen wir viele ruſſiſche Leibeigene zu dem Heiligen
beten. Wahrſcheinlich riefen ſie ſeine Hilfe gegen uns an.
Am 25. ſtreifte ich mit mehreren Freunden wieder durch die Stadt.
Wir gelangten dabei durch Stadtviertel, in denen wir noch nicht ge—
weſen waren. Äberall, mitten unter Schutt und Trümmern, begeg⸗
neten wir ruſſiſchen Bauern, widerwärtig ſchmutzigen Frauen, Zuden
und andern Leuten, vermengt mit Soldaten unſerer Armee, welche
in den Kellern nach verſteckten Sachen ſuchten, die das Feuer
nicht erreicht hatte. Alle waren ſchwer beladen mit vollen Flaſchen,
koſtbaren Kleidungsſtücken von Pelzwerk und Seide, goldenem und