Full text: Mit der großen Armee 1812 nach Moskau und in der brennenden Stadt

Mit der großen Armee 1812 nach Moskau ε 11 
waffnet, ſo, wie man den aus dem Waſſer ſteigenden Neptun zeichnet. 
In dieſem Aufputz ging er auf den Tambourmajor zu, indem er 
Miene niachte, ihn als erſten aufzuſpießen. Wahrſcheinlich hielt er ihn 
in ſeinem Aufputz für einen General. Er holte mit ſeiner Gabel zu 
einem wuchtigen Stoße aus, glücklicherweiſe aber gelang es dem An- 
gegriffenen, noch rechtzeitig beiſeite zu ſpringen, dem Böſewicht die 
Mordwaffe zu entreißen und dieſen ſelbſt mit einem kräftigen Fußtritt 
über die Brücke in das Waſſer zu ſchleudern, dem er vorher entſtiegen 
war. Vom Strom erfaßt, ſahen wir ihn noch ein paarmal auftauchen, 
dann aber war er plötzlich verſchwunden. 
Es erſchienen noch mehr Leute, die Gewehre hatten. Ein Teil 
feuerte auf uns, der andere aber nicht. Wir entwaffneten die Burſchen 
und begnügten uns, ſie mit einigen wohlgemeinten Kolbenſtößen in 
die Rippen heimzuſchicken. Als wir ihre Gewehre zerbrachen, ſahen 
wir, daß die Mehrzahl an Stelle des Feuerſteins am Schloß nur 
kleine Holzſtücke hatte. Dieſe Gewehre entſtammten dem im Kreinl 
befindlichen Arſenal. Die neuen Steinſchloßgewehre wurden dort in 
dieſer Weiſe aufbewahrt. Steine wurden ihnen erſt bei der Veraus⸗ 
gabung eingefügt. 
Nachdem wir die Brücke paſſiert hatten, marſchierten wir durch 
eine ſchöne große Straße. Wir waren erſtaunt, niemand zu ſehen. 
Nicht ein einziger hübſcher Mädchenkopf ließ ſich durch unſere Muſik 
anlocken, nach deren luſtiger Weiſe: „Der Sieg iſt unſer wir ſo flott 
dahinmarſchierten. Wir wußten uns dieſe gänzliche Nichtbeachtung 
gar nicht zu erklären, indeſſen tröſteten wir uns mit der Hoffnung, von 
manchem ſchönen Auge durch die geſchloſſenen Fenſterjalouſien be— 
obachtet zu werden. 
Nach etwa einer Stunde erreichten wir die erſte Umwallung des 
Kreml, bogen jedoch hier ſcharf nach links und betraten eine noch ſchönere 
und breitere Straße, als die, welche wir ſoeben entlang marſchiert waren; 
ſie führte nach dem Gouvernementsplatz. Auf ihr mußten wir, irgend⸗ 
eines kleinen Hinderniſſes wegen, einen Augenblick halten und bemerkten 
währenddem an dem Fenſter eines Erdgeſchoſſes drei Damen. Ich 
befand mich nahe bei ihnen auf dem Trottoir, und die eine bot mir ein 
Stück Brot an, das ſchwarz wie Kohle war. Ich dankte ihr und reichte 
ihr meinerſeits ein Stück Weißbrot aus den Vorräten der Mutter Dubois. 
Die Oame errötete, und ich lachte; ſie legte ihre Hand auf meinen Arm, 
ich erfuhr aber die Bedeutung dieſer Berührung nicht, denn im ſelben 
Augenblick ging es weiter. 
Endlich trafen wir auf dem Gouvernementsplatz ein und ſtellten 
uns in dichten Kolonnen dem Palaſt des General-Gouverneurs Roſtop⸗ 
tſchin gegenüber auf, des Mannes, der Moskau anzünden ließ. Dar⸗ 
auf machte man uns bekannt, daß das Regiment Befehl erhalten habe, 
als Pikett auf dem Platze zu verbleiben. Gleichzeitig wurde jede Ent⸗ 
fernung eines einzelnen, unter welchem Vorwande es auch ſei, unter⸗ 
ſagt. Das verhinderte aber nicht, daß eine Stunde ſpäter alle guten Dinge, 
die man ſich nur wünſchen konnte, auf dem Platze vorhanden waren. 
Da gab es Weine und Liköre von allen Sorten, eingemachte Früchte, 
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