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und Eroberungen in anderer Weiſe machen werden.“ Denn das iſt
die Art des franzöſiſchen Soldaten: aus dem Kampf zur Liebe, von
der Liebe in den Kampf.
Während wir mit ſolchen Gefühlen in die Betrachtung der Stadt
verſunken waren, erhielten wir Befehl, den Paradeanzug anzulegen.
Ich gehörte an dieſem Tage mit 15 Mann zur Vorhut, und es
waren mir mehrere in der Schlacht an der Moskwa gefangene ruſſiſche
Offiziere zur Bewachung überwieſen worden. Unter dieſen befand
ſich auch ein Pope, wahrſcheinlich ein Feldgeiſtlicher, welcher ſehr gut
Franzöſiſch ſprach und ſein Schickſal ſchwerer als ſeine Gefährten zu
empfinden ſchien. Es war mir aufgefallen, daß er ſowie alle andern
Gefangenen, als ſie auf der Höhe ankamen, ſich gegen die Stadt ver⸗
neigten und wiederholt bekreuzten. Zch bat den Prieſter, mir den Grund
davon zu erklären. „Mein Herr,“ erwiderte er, „der Berg, auf dem
wir ſtehen, trägt den Namen „der Berg des Grußes“, und jeder gute
Moskowiter muß ſich beim Erblicken der heiligen Stadt verneigen und
das Zeichen des Kreuzes machen.“
Bald hiernach ſtiegen wir den Berg hinab und hatten nach einer
Viertelſtunde das Stadttor erreicht.
Der Kaiſer mit ſeinem Gefolge hielt ſchon vor demſelben. Wir
machten halt. Nach kurzer Zeit kam der Marſchall Duroc aus der Stadt
in Begleitung von einigen Franzöſiſch ſprechenden Einwohnern, an die
der Kaiſer verſchiedene Fragen richtete. Darauf meldete der Marſchall
Sr. Majeſtät, daß ſich im Kreml eine Menge bewaffneter Kerle be⸗
fänden, welche größtenteils aus den Gefängniſſen freigelaſſene Ver⸗
brecher wären, die Kavallerie des Königs Murat beſchöſſen und wieder⸗
holter Aufforderung ungeachtet ſich weigerten, die Tore zu öffnen.
„Die ganze Bande iſt betrunken und will keine Vernunft annehmen“.
ſchloß der Marſchall.
„So ſoll man die Tore durch Kanonen öffnen und das ganze Ge⸗
ſindel zum Teufel jagen!“ entgegnete der Kaiſer.
Dies war inzwiſchen ſchon geſchehen; König Murat hatte ſich nicht
weiter aufhalten laſſen. Zwei Kanonenſchüſſe hatten genügt, das ganze
Lumpenpack zu zerſtreuen und der Reiterei den Weg frei zu machen,
um der ruſſiſchen Nachhut auf den Ferſen zu bleiben.
Ein Trommelwirbel aller Tamboure der Garde erfolgte. Dies
war das Zeichen zum Einrücken in die Stadt. Es war drei Uhr nach⸗
mittags. Die Muſik mit klingendem Spiel voran, zog die Marſchkolonne
durch das Tor.
Kaum waren wir in der Vorſtadt eine Strecke marſchiert, als wir
mehrere von den Kerlen, die aus dem Kreml verjagt worden waren,
umherſchleichen ſahen. Sie hatten abſchreckende Geſichter und waren
mit Gewehren, Lanzen oder Miſtgabeln bewaffnet. Auf der Brücke,
die die Vorſtadt von der Stadt trennt, kam uns ein ſolches Galgen—
geſicht entgegen, das unter der Brücke hervorgekrochen war. Der Strolch
trug ein Wams aus Schaffell und einen Ledergürtel um die Hüften;
langes graues Haar fiel über ſeine Schultern und ein dichter weißer
Bart bis auf den Gürtel. Er war mit einer dreizinkigen Heugabel be⸗