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es die Schule verlaſſen hatte, brachte es der Vater auf einige
Monate in eine benachbarte große Stadt zu einer Verwandten.
Nun iſt das Mädchen zurückgekehrt, wandelt eben mit einem
Sonnenſchirme aus Seidenſtoffe über die Straße, ein prächtiges
Tuch hängt ihm über den linken Arm und auf dem Kopfe trägt
es einen mit ſchönen Blumen geſchmückten Hut, von dem ein
grüner Schleier herniederwallt. Langſam geht es dahin, öfter
um ſich ſchauend, denkend: ſeht ihr mich wohl? wie geputzt und
ſchön bin ich!
Und da kommen die Nachbarskinder und wollen ſie herzlich
begrüͤßen, aber ſie kehrt das Haupt nur halb zu ihnen und ſagt
mit einem ſtolzen Blicke: ich kenne euch nicht! — Da wenden
ſich die Armen beſchämt ab und wagen es nicht mehr, die Hoch—
müthige anzureden. Aber ſie dachten: Hochmuth kommt vor
dem Fall!
Das Roß und der Eſel.
Ein Reiter ſprengt daher auf einem ſtolzen mit glänzenden
Zierrathen geſchmückten Roſſe. Es bäumt ſich, es macht Sätze,
es würfe gern den Reiter von ſeinem Rücken hinunter, aber der
hält ſich kräftig und feſt und zwingt durch Sporn und Peitſche
das übermüthige Thier.
Ein Eſel kommt daher, langſam, denn er iſt ſchwer be—
laden; als das Roß vor ihm vorübertanzt, giebt es dem armen
Eſel einen Schlag.
Nicht lange darauf ſtürzte das ſtolze Roß, zerbrach ſich
daſſelbe Bein, mit dem es den Eſel geſchlagen hatte und mußte
ſterben.
Der Eſel ging Jahre lang ruhig ſeinen Gang, trug täglich
ſeine Laſten, fraß ſeine Diſteln und trank das klare Waſſer aus
der Quelle. Sein Herr war ſehr zufrieden mit dem beſcheidenen,
anſpruchsloſen Thiere.
Der Löwe und das Hündchen.
Es war ein Löwe in der Wüſte, der ward gefangen.
Man hatte eine Grube gegraben, ſie mit Reiſig bedeckt und ein