Full text: Lehren der Weisheit und Tugend

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neigend, dem Tode nah, denn das treue Thier hatte Tag und 
Nacht am Grabe geſeſſen und keine Nahrung zu ſich genommen. 
Es aß und trank auch nicht wieder und war am folgenden Mor— 
gen todt. Das gute, treue Thier! — 
Der Wanderer und der Knabe. 
Es ging ein Wandersmann in der Frühe aus einem Städt— 
lein im Gebirge wohlgemuth und heiter ſeinen Weg. Er trug 
einen Ranzen auf dem Rücken und einen Schirm darauf, um 
ſich ſchützen zu können, wenn es regnen ſollte. Eine Feldflaſche 
gefüllt mit klarem Waſſer hing um ſeine Schulter, in der Hand 
trug er den ſtarken Bergſtock, um ſich darauf zu ſtützen, wenn 
es bergan ging. Unterwegs zog er ein Büchlein aus der Taſche, 
in welches er dies und das hineinſchrieb, was ihm eben einfiel, 
bemerkte aber nicht, daß er zugleich eine Boͤrſe herauszog, die in 
den Staub des Weges hinahglitt. 
Einige hundert Schritte hinter ihm her ging ein armer 
Knabe, der einen Brief in einen nahe gelegenen Ort tragen 
ſollte. Er fand die Börſe. 
»O wie ſchimmert das blanke Silbergeld! — und wie viel 
Geld iſt in dem kleinen Beutel, ſo viel haſt du noch nie zuſam— 
men geſehen! Wenn es dir gehörte, wäreſt du reich und die 
Mutter auch, die oft nicht weiß, wovon Brot kaufen für den 
Tag. Aber es gehört nicht dir, es gehört dem Manne, der 
dort geht und du mußt es ihm wiedergeben! Du würdeſt lebens— 
lang kein gutes Gewiſſen haben, wenn du es nicht thäteſt!“ 
So ſagte ſich der Knabe. Er lief, bis er den Wanders— 
mann erreicht hatte und brachte ihm die Börſe. 
Der bedankte ſich ſchön, ging mit dem Knaben weiter und 
ſprach mit ihm. Als ſein Weg von dem ſeines kleinen Beglei— 
ters ſich trennte, bedankte er ſich noch einmal, beſchenkte den 
Knaben und ſprach: es gehe dir wohl! — Der Knabe blieb 
immer redlich und treu und es ging ihm wohl. 
Das treue Roß. 
Es ſteht neben ſeinem todten Reiter und neigt ſeinen Kopf 
zu ſeinem Munde, ob es keinen Athem ſpüre. Aber der Reiter
	        
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