Full text: Lehren der Weisheit und Tugend

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beflanzte; ein Gewächs war vertrocknet und er behauptete, daran 
ſei Luiſe ſchuld, welche daſſelbe nicht begoſſen habe. 
Luiſe erwiederte ihm: du haſt mir ja keinen Auftrag ge— 
geben, lieber Bruder, deine Blumen zu pflegen; du ſelbſt haſt 
bisher allein für ſie geſorgt, wie kannſt du mir darüber Vor— 
würfe machen? 
Karl ließ ſich nicht beſchwichtigen, er wurde immer heftiger 
und vergaß ſich ſo ſehr, daß er eine Hand voll Erde ergriff und 
ſie nach ſeiner Schweſter hinſchleuderte. Unglücklicher Weiſe 
befand ſich ein Steinchen zwiſchen der Erde. Dies traf die 
Stirn der guten Luiſe und verurſachte eine Wunde, aus welcher 
das Blut herausſtrömte. 
Kaum ſah dies Karl, als ihn eine entſetzliche Angſt ergriff; 
er ſtürzte weinend auf ſeine Schweſter los und bat ſie tauſend— 
mal um Verzeihung. Dann lief er in das Haus, holte Waſſer 
in einem Becken, wuſch die kleine Stirnwunde aus und verband 
ſie mit einem Tuche. Luiſe ließ dieß Alles geſchehen und ſprach 
beruhigende Worte zu Karl, der ihr aufrichtig leid that. 
Nein, rief dieſer aus, ich kann mich nicht beruhigen, ich 
habe zu böſe gehandelt; ach, vergib es mir! Vergib es mir 
auch, lieber Gott, ich will mich nie wieder zum Zorne hinreißen 
laſſen! — So und auf ähnliche Weiſe ſprach er längere Zeit 
und dabei ſtrömten ihm heiße Thraͤnen der Reue aus den Augen. 
Der Vater war ein ſtiller Zeuge dieſes Auftritts geweſen, 
er trat jetzt aus einem Gebüſche hervor und ſagte: du thuſt 
Recht, mein Sohn, wenn du dir heftige Vorwürfe machſt, dein 
Zorn wird dich in's Unglück ſtürzen. Du verdienſt ſchwere Strafe. 
O bitte, lieber Vater, ſprach Luiſe, vergib es ihm, es thut 
ihm ja ſo leid! Ich habe es ihm auch längſt vergeben! 
Unter einer Bedingung, erwiderte der Vater, wenn Karl 
gelobt, ſich nie wieder von ſeiner Heftigkeit hinreißen zu laſſen 
und ſich wahrhaft zu beſſern. 
Das will ich, ſprach Karl ſchluchzend. 
Nun wohlan, ſo ſtärke dich Gott dazu! ſagte der Vater. 
Karl beſſerte ſich wirklich. Die Wunde der guten Luiſe 
heilte ſchnell, aber es blieb eine kleine Narbe zurück. Wenn der 
Bruder ſich einmal vergaß, zeigte die Schweſter nur auf die 
Narbe hin und ſogleich bezwang ſich Karl und ward ruhig.
	        
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