Full text: ABC-Buch für kleine und großse Kinder

95 
22 
—0 
D 
ie Haſen pfiffen, die andern Thiere ſprangen auf und drängten ſich 
um das Reh, um es zu beſchützen, das aber floh in raſchem Lauf davon. 
Doch der Königsſohn hatte es ſchon erblickt und rief: „Wer mir das ſchöne 
Thier tödtet, der ſoll ſterben, wer's aber fängt und mir lebend bringt, 
ſoll ein Jägerhorn von lauterm Golde bekommen.“ Und ſogleich jagte der ö 
ganze Troß, den jungen König an der Spitze, dem fliehenden Thiere nach. 
as flog wie ein Pfeil aus dem Walde hinaus, den Felſen hinauf, N 
dort ſtürmte es in die Zelle, wo der Greis noch betete, und verſteckte ſich ö 
hinter ſeinem Kleide. Bald war auch der Königsſohn oben und da er 
wohl ſah, wo ſich das Thier verſteckt, rief er dem Einſiedler zu, er ſolle 
ihm das Thier herausgeben. Der aber beſchützte es mit ſeinen Armen 
D 
— 
und ſprach: „Wenn ich das thäte, ſo wäre es eine Sünde. Wer auf 
meiner Schwelle Schutz ſucht, der findet ihn auch!“ — „So mußt Du ſter 
ben!“ rief der Jüngling und erhob ſeinen Speer; doch in dem Greiſe er 
wachte die alte Kampfluſt. Im Nu riß er ſein Schwert von der Wand 
und ſprach: „So laß uns darum kämpfen!“ 
Der Kampf begann. Mit furchtbarer Kraft hieben Beide auf einander 
los, aber zuletzt ermüdete die Kraft des Greiſes. Der Jüngling ſchlug 
ihm das Schwert aus der Hand und zückte das ſeinige, um ihn zu tödten. 
Doch das Reh ſah die Gefahr ſeines Beſchützers, ſprang zwiſchen 
Beide und ward ſtatt des Alten vom Schwert des Königsſohns durchbohrt. 
Da lag das zarte Thierlein im grünen Gras und das Blut ſtrömte mit 
Macht aus der offenen Wunde; aber ſtatt an den Boden zu fließen, ver 
breitete das rothe Blut ſich über den ganzen Leib des Thieres und um 
hüllte es wie mit einem prächtigen Purpurmantel. Zugleich wuchs ſein 
Geweih zu einem goldnen Krönlein zuſammen und endlich lag ſtatt des 
Rehes ein wunderliebliches Königstöchterlein im Graſe, das hatte die Augen 
geſchloſſen, als ſchlummere es. 
Als der Königsſohn das ſchöne Frauenbild ſah, faßte er eine innige
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.