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Die Fabel vom Affen.
Als die Thiere nach dem Sündenfall der erſten Menſchen das
Paradies verlaſſen hatten und mit dieſen in Feindſchaft gerathen waren, zogen
die wildeſten und böſeſten unter ihnen, der Löwe, der Tiger, der Wolf,
der Bär und mehrere andre in die Wälder und Einöden und lebten dort
vom Raube und Morde, indem ſie die ſchwächeren Thiere verfolgten und
auffraßen. Die meiſten von dieſen flohen daher in die entlegenſten Schlupf
winkel und blieben in fortwährender Angſt und Scheu, wie zum Beiſpiel
die Hirſche, die Haſen und Rehe; aber die ſanfteren und freundlicheren
Thiere, die Ochſen, die Schafe, die Hunde und noch viele andre wollten
gern wieder einen Herrn haben, der, wie der Menſch, für ſie ſorge und
ſie pflegen möchte.
Sie hielten deshalb einen großen Rath und beſchloſſen endlich den
Affen dazu zu erwählen, weil dieſer dem Menſchen am ähnlichſten war:
denn er hatte ein ſehr ernſtes und weiſes Geſicht, ging aufrecht auf zwei
Beinen, und war mit menſchlichen Händen verſehen, mit denen er geſchickt
zu hantieren wußte.
Damit er ſich nun zu einem ſo hohen Amte erſt wohl vorbereite,
ſchickten ſie ihn auf einige Zeit in die Nähe der Menſchen, damit er von
dieſen allerlei Künſte erlerne und ſie den Thieren dann mittheilen könne.
Der Affe war auch ſogleich dazu bereit und ging hin, wo Adam
und Eva mit ihren Kindern wohnten. Dort ſetzte er ſich auf einen Apfel
baum und ſah dem Treiben der Menſchen zu. Wer ihn da ſo mit ſeiner
wichtigen Miene ſitzen ſah, mußte denken, wenn der's nicht lernt, ſo
lernt's keiner.
In der erſten Woche war ſeine Aufgabe, den Menſchen es abzuſehen