—
20 Aus trüben Waſſern.
präſentiert hatte. Ob mir's dein Vater verziehen, das weiß
ich nicht; trutzig iſt er faſt immer geweſen.“
Das iſt die Herzensgeſchichte meiner Tante; ſie kommt mir
faſt noch trauriger vor, als die der Fräulein Dobler.
Bei meiner Mutter, da iſt's wohl Liebe geweſen, daß ſie
mit dem düſteren Fremden, — ich kann mir meinen Vater nie
jung und heiter denken, — übers Meer gezogen iſt; ich weiß
ſo wenig von ihr. Schön iſt ſie geweſen, das ſagt mir ihr
Bild und meine Erinnerung, und zart und lieblich. Die Tante
erzählt mir auch nicht viel von ihr, und thut es in ihrer trocknen,
nüchternen Weiſe: „Ja, ſie war eine zarte, ſchöne Dame, vor—
nehm gewöhnt; ich glaube, mein Bruder hat in dem Wunſche,
ſie nichts vermiſſen zu laſſen, gar zu viel gebraucht. Ver⸗
wandte hatte ſie, ſo viel ich weiß, keine, wenigſtens hat
man keine geſehen; ſie werden in der Schweiz von Gletſchern
heruntergefallen ſein, wie das Engländern öfters paſſiert.“
Das iſt alles, was ich von meiner Mutter erfahren; der Vater
ſpricht nie von ihr, und ich habe oft eine ſolche Sehnſucht
nach ihr!
Wegen Herrn Jeſſen darfſt Du nicht Sorge haben, und
ich bitte dich, mach, wenn Du da biſt, keinen Scherz, keine
Anſpielung, die mich oder ihn in Verlegenheit bringen könnte!
Er lebt ſo ſtill für ſich hin; dem fällt es gewiß nicht ein, an
ein Mädchen zu denken, am wenigſten an
Deine
kindiſche Adele.