Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

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dunkelblauen Augen und floſſen ihr über die blühenden 
Wangen. Sie müſſen alle eſſen, ſagte ſie mehrmals; ich 
bitte Sie darum. 
Er nahm einige Kirſchen und legte ſie auf den Teller 
neben ſein Weinglas. Kaum hatte er aber das Glas an 
den Mund geſetzt, ſo ertönten die Trompeten. Er ſprang 
auf und gürtete den Säbel um. Sie blaſen zum Aufbruch, 
ſagte er; ich darf keinen Augenblick mehr verweilen. Die 
Mutter ſtand mit dem Weine vor ihm und nötigte ihn, 
zu trinken. Karoline bat ihn dringend, die Kirſchen, die 
ſie ſehr geſchickt in einen Bogen weißen Papiers wickelte, 
mit auf den Weg zu nehmen. Es iſt ſehr heiß, ſagte ſie, 
und Kirſchen ſind doch immer eine kleine Erfriſchung. 
— Ich habe wahrhaft keine leere Taſche! ſagte der Offi— 
zier. Ich führe all mein Gepäck bei mir. Sehen Sie, 
ich bin beladen, wie ein Packpferd. Ei, ſagte Karoline, 
die wenigen Kirſchen werden wohl noch ein Plätzchen finden. 
Sie bat mit einer ſo wohlwollenden, gutmütigen Zudring 
lichkeit, daß er ſich half, wie er konnte. Er nahm eine 
Brieftaſche heraus, verwahrte ſie auf der Bruſt unter ſeiner 
Weſte und ſteckte die Kirſchen zu —55 
Wahrhaftig, ſagte er gerührt, es thut einem ehrlichen 
Krieger, dem oft jeder Biſſen mit Unwill llen gleichſam in 
den Mund gezählt wird, ſehr wohl, ſolche freundliche, 
wohlwollende Menſchen zu treffen. Schade, daß ich nicht 
länger bleiben kann. Ich wünſchte Ihnen, mein liebes 
Kind, irgend eine Kleinigkeit zum Andenken zu geben; 
allein wirklich habe ich gar nichts, nicht einmal einen 
Kreuzer Geld. Begnügen Sie ſich mit meinem Danke. 
Er ſchwang ſich auf ſein Pferd, rief Karoline und ihrer 
Multer noch ein Lebewohl zu und ſprengte von dannen. 
Die Freude der guten Leute über ihre Rettung war von 
lurzer Dauer. Einige Wochen nachher fiel bei dem Dorfe
	        
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