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geehrt und erfreut. Sie vollzog den Auftrag, über alle
Erwartung der Mutter, ganz vortrefflich.
Der Vater ſchenkte Karoline das Kirſchbäumchen in
mitten des Blumengärtchens. Sie hatte größere Freude
daran, als an allen Blumen. Sie beſuchte und bewun
derte es alle Tage, von der Zeit an, da die Blütenknoſpen
aufbrachen, bis die Früchte reif waren. Es betrübte ſie
zwar, als die ſchönen weißen Blättchen der Blüſen ab
fielen; allein mit Vergnügen bemerkte ſie, wie die Kir
ſchen, erſt noch grün und kleiner als Erbſen, zum Vor—
ſchein kamen und nach und nach immer größer wurden,
bis endlich die ſchönen roten Kirſchen zwiſchen dem grünen
Laube hervorglänzten. So iſt es nun einmal, ſprach der
Vater, Jugend und Schönheit vergehen, wie Blüten; die
Tugend aber iſt die Frucht, die man von dem Baume er
wartet. Die ganze Erde iſt gleichſam ein großer Garten,
in dem Gott jedem Menſchen eine Stelle anwies, reich—
liche Früchte des Guten zu bringen. Wie Gott dem Baume
Regen und Sonnenſchein giebt, ſo giebt er uns ſeine Gnade
zum Wachstume in jeder Tugend — wenn wir es nur
an uns nicht fehlen laſſen.
ö Karoline verſprach, das ihrige treulich zu thun und
ihr tägliches Betragen rechtfertigte auch die ſchönen Hoff—
nungen der Eltern. Die kleine Familie lebte ſehr zu—
frieden und vergnügt, und trug nicht nur durch Rat und
That, ſondern vorzüglich durch ihr ſchönes Beiſpiel ſehr
viel bei, daß auch die wackern Landleute im Dorfe und
in der Gegend umher in Eintracht und Frieden lebten und
ſich dabei ſehr glücklich fühlten.
Allein der Krieg, der gegen das Ende des vorigen
Jahrhunderts in den herrlichen Rheingegenden ſchon ſo
viele Verheerungen angerichtet hatte, näherte ſich nunmehr
auch dieſem friedlichen Thale, in dem bisher Ruhe und