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Die Uirſchen.
In dem freundlichen Dörflein Rebenheim, das, von
Obſtgärten und Weinbergen umgeben, unweit des Rheins
liegt, lebte der Amtmann Ehrenberg.
Er wurde wegen der Treue, mit der er ſein Amt
verwaltete und auf Recht und gute Ordnung hielt, all
gemein geachtet; ſeine Ehegattin war beſonders wegen
ihrer Wohlthätigkeit gegen die Armen ſehr beliebt. Sie
hatten nur ein Kind, die kleine Karoline, die ſehr ſchön
heranblühte und ſehr frühe einen hellen Verſtand und
ein ſehr gutes Herz zeigte. Beide Eltern liebten ſie unbe—
ſchreiblich und erzogen ſie vortrefflich.
Bei dem Amthauſe befand ſich, außer dem großen
Baumgarten und dem wohlangebauten Gemüſegarten noch
ein kleines Gärtchen, das mit Blumen bepflanzt war. An
dem Tage, da Karoline geboren ward, ſetzte der Vater, in
die Mitte des Blumengärtchens, ein Kirſchbäumchen; er
hatte ein Bäumchen, mit niederem Stamme gewählt, damit
Karoline die Blüten deſto genauer betrachten und die
Früchte leichter pflücken könne. Als das Bäumchen das
erſte Mal blühte, und mit Blüten ſo überdeckt war, daß
es nur ein einziger weißer Blütenſtrauß ſchien, betrachteten
Vater und Mutter es eines Morgens und freuten ſich des
herrlichen Anblicks. Die Mutter hatte die kleine Karoline
auf dem Arm; das Kind lächelte das blühende Bäumchen
an, ſtreckte die Händchen darnach aus und bezeugte ſeine
Freude in Worten, die freilich noch etwas undeutlich waren.
Schmid, Die Waſſerflut am Rheine ꝛc. 5