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Hirt unter ſeinen Lämmern, ſaß er zwi 103 den hung⸗—
rigen, blutdürſtigen Löwen da. Du haſt ihm einen Engel
geſendet, der ſich ſeiner angenommen. Du 0 ihn aus der
Löwengrube befreit. O erbarme dich auch eines armen
Mädchens! Befreie mich von dieſen grimmigen Tigern.
Sende auch mir einen Engel zu Hilfe. Und der gute
Gott hat mein Gebet erhört! Ja, liebſte Mutter, er hat mir
in Wahrheit einen Engel zu Hilfe geſendet — hier den
geliebten Onkel!
Ja, wahrhaftig, ſagte die Mutter, er, der gute Gott,
hat ſich deiner, er hat ſich unſer aller erbarmt. Dich, liebſte
Meline, hat Gott mir entführen laſſen, um dem lieben
Onkel das Leben zu retten, und dich, liebſter Bruder, hat
Gott in jene Räuberhöhle geführt, um meine geliebteſte
Tochter daraus zu befreien. Mir diente es zum Heile, daß
ich mein einziges, noch übriges Kind als tot beweinte: ich
betete öfter und inniger, als es ſonſt wohl geſchehen wäre,
und ſehnte mich herzlicher nach dem Himmel. Auch dir,
liebe Tochter, wird es zum Segen gereichen, daß du eine
Zeit lang unter ſo böſen Menſchen haſt leben müſſen; du
haſt nun geſehen, wie weit jene Menſchen im Böſen kom—
men, die ſich nicht an Gott halten, nicht mehr beten, und
nichts Gutes mehr hören mögen. Du lernteſt alles Böſe
noch mehr verabſcheuen, und das Gute noch mehr ſchätzen.
Und alle hat Gott nach vielen Leiden wieder getröſtet
und unſere Betrübnis in Freude verwandelt. Ja, gewiß!
Alles, alles, was er thut, iſt die lautere Weisheit und
Güte; ihm ſei ewiger und unendlicher Dank!
Amen, Amen! ſagte der Major, und Meline wieder—
holte die Worte: Amen, Amen!