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Der Major ſetzte ſich zu ihr auf das Kanapee. Er
bat ſie, ihm zu erzählen, was ihr, ſeit er in das Feld
gezogen, alles begegnet ſei.
Sie erzählte unter tauſend Thränen, daß indes ihr
geliebter Gemahl, nach vielen Leiden, aber geduldig, fromm
und ganz in den göttlichen Willen ergeben, geſtorben ſei;
daß ihre zwei holden Knaben, die der Major wohl gekannt
und an denen er große Freude gehabt habe, ihr durch die
Blattern entriſſen worden; und daß ihr einziges noch
übriges Kind, ihre innigſt geliebte Meline, in dem nahen
Fluſſe ert Rutte ſei.
Der Maßer hatte mit großer Teilnahme zugehört, und
ſprach nun: Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß die liebe
Meline ertrunken iſt, da ihre Leiche nicht gefunden worden.
O Gott! rief die Mutter, und ihr r wehmütiges Geſicht
erheiterte ſich und glänzte vor Freude. Ach, wenn ſie
noch lebte, wenn ich, ehe ich die Augen ſchließe, ſie noch
einmal ſehen ſollte, welche Seligkeit wäre das ſür mich!
Zweifle nicht, ſprach der Major, daß ſie noch lebt.
Vetter Klauenburg hat hier ſeine Hand oder vielmehr ſeine
Klauen mit im Spiele. Gewiß, Meline iſt nicht ertrunken;
ſie wurde bloß von Räubern geraubt, und von ihnen in
einen ihrer Schlupfwinkel gebracht.
Ach Gott! rief die Mutter, wurde noch bleicher, und
reichlichere Thränen floſſen über ihre erblaßten Wangen.
Beſſer wäre ſie tot, als unter böſen Menſchen. Es iſt viel
beſſer geſtorben, als an Leib und Seele verdorben!
Liebſte Schweſter, ſprach der Major, ich bin über
dieſe deine edlen Geſinnungen tief gerührt. Glaube mir
aber, ſie iſt noch immer jene unſchuldige, reine, engel⸗—
gleiche Meline, die ſie von jeher geweſen. Du ſollſt dich
ſelbſt davon überzeugen. Sie iſt bereits aus jenen räube—
riſchen, verruchten Händen befreit.