Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

Dort trugen erwachſene Söhne und Töchter eine kranke 
Mutter aus der dnni um ſie vor den eingedrungenen 
zu flüchten. Die armen Leute waren in Ge 
fahr, alle zuſammen in den Fluten umzukommen. Allein 
mehrere tapfere, menſchenfreundliche Männer kamen ihnen 
liebreich zu Hilfe, um ſie zu retten. 
Ottilie, auf jedem Arme ein Kind, wurde von der Ge 
walt des Waſſers umgeriſſen; ihr Mann, ebenſo mit zwei 
Kindern beladen, konnte ihr nicht helfen. Allein zwei 
rüſtige Männer eilten herbei, retteten Mutter und Kinder, 
und erreichten, nebſt dem Vater die benachbarte Anhöhe. 
Hier ſchürte man unter einigen Tannenbäumen ein großes 
Feuer auf, damit alle Geretteten, die ganz vom Waſſer 
trieften, ſich trocknen konnten. Als Ottilie, außer Atem, 
auf der Anhöhe angekommen war, und ſich von ihrem 
Schrecken etwas erholt hatte, blickte ſie um ſich und rief 
mit Entſetzen: Wo iſt mein kleinſtes Kind, mein Kaſpar? 
Das Kind war in der Wiege neben der Bettſtatt der Mutter 
gelegen. Das Waſſer war ſo plötzlich und in ſo großer 
Menge in die Kammer eingedrungen, daß die Wiege ſo— 
gleich zu ſchwimmen anfing, und von der Stelle hinweg— 
geriſſen wurde. Die Mutter hatte im Dunkeln augen— 
blicklich nach der Wiege greifen wollen, allein da ſie die— 
ſelbe nicht mehr an Ort und Stelle fand, ſo meinte ſie, der 
Vater habe das Kind ſamt der Wiege ſchon in Sicherheit 
gebracht; ſie war nur mehr darauf bedacht, die übrigen 
Kinder zu retten. Jetzt, da ſie ihren Iiruhn erkannte, 
ſchlug ſie die Hände über dem Kopfe zuſammen, und weinte 
und jammerte ſo erbärmlich, daß es einen Stein hätte 
bewegen können. Sie wollte augenblicklich ſich aufmachen, 
und durch die gewaltigen Waſſerfluten in ihre Wohnung 
eilen, um das geliebte Kind dem ſchauerlichen Tode im 
Waſſer zu entreißen. Allein der Vater hielt ſie zurück.
	        
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