Full text: Die Wasserflut am Rheine. Das stumme Kind. Die Kirschen. Die Margaretenblümchen. Der Kuchen

Krug Bier zu bringen. Er fing an, die Geſchichte aus 
ſeiner Jugend zu erzählen, wie die gute Roſalie, die Köchin 
zu Rauhenſtein, ihn durch ein Stück Kuchen vom Hunger— 
tode errettet habe. 
Heiliger Gott! rief jetzt die fremde Frau, und ſchlug 
die Hände zuſammen, jene Köchin war ich. Ich heiße 
Roſalie; Ihr heißt Friederich — und Euer ſeliger Vater 
war 98 Förſter zu Grünenthal. Ich kann Euch noch an 
einige kleine Umſtände erinnern, deren Ihr in Eurer Er— 
zählung nicht erwähnt habt. Das Eſſen, das ich Euch 
vorſetzte, beſtand außer der Suppe, aus grünen Erbſen 
und gelben Rüben mit geräuchertem Fleiſch; das helle, 
gläſerne Krüglein, worin ich Euch das Bier brachte, hatte 
einen zinnernen Deckel, worauf ein Hirſch abgebildet war, 
der Euch ſehr wohl gefiel. Mit dem Herrn von Rauhen— 
ſtein aber waret Ihr nicht zufrieden, und ſagtet, er habe 
ſeinen Namen nicht umſonſt, ich verteidigte ihn aber und 
ſagte, er ſei milder, als er ſcheine. Ihr habt mir wider 
meinen Willen zum Abſchiede aus Dankbarkeit die Hand 
geküßt. Ich kann es gar nicht ausſprechen, wie es mich 
freut, daß ich Euch durch jenes kleine Stücklein Kuchen 
einen ſo großen Dienſt geleiſtet habe und daß ich Euch ſo 
unvermutet und in ſo guten Umſtänden wieder finde. Wie 
wunderbar doch Gott alles fügt! — Ich hätte Euch aber 
nicht mehr gekannt. Ihr ſeid aus dem kleinen Jägerknaben 
ein rüſtiger, ſtattlicher Mann geworden, und Gott hat 
Euch, wie ich ſehe, in allem geſegnet. 
Der Jäger grüßte Roſalie nun noch einmal, und 
hieß ſie tauſendmal willkommen. Ihr kamt mir, ſagte 
„ſogleich auf den erſten Blick bekannt vor; indes konnte 
ich mich nicht ſogleich deutlich erinnern. Bald ſchien es 
mir jedoch, wiewohl die Zeit Euch indes etwas verändert 
hat, Ihr ſeid jene gütige Roſalie. Ich wollte meiner
	        
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