— 32 —
geliumshalle von Edinburgh Caſtle zu gelangen, und
doppelt groß war ihr Vergnügen, als ſie bald darauf er⸗
juhren, daß das Ziel nicht allzu weit ſei.
Leider war es noch nicht Abend, als ſie lechzend
und hungernd vor der Thüre des verheißungsvollen Hauſes
ſtanden. Sie verſicherten ſich indes gegenſeitig, daß der
Magen es zur Not wohl bis zum Abend aushielte.
Nur wenige Straßen weit wagte es ihre Sehnſucht, ſich
von der Evangeliumshalle zu entfernen, als könnte ſonſt
alles, wer weiß wie, in die Erde verſinken.
Allmählich fing es an zu dämmern. Ach, wie er—
wartungsvoll die kleinen Herzen ſchlugen! Das Wetter
war noch unfreundlicher als geſtern. Ein ſcharfer Wind
jagte Schnee und Regen vermiſcht in einemfort durch die
Straßen. Viele fröſtelnde, dem Elende preisgegebenen
Kinder durchſtrichen ſie, gleich herrenloſen Hündlein, die
darauf angewieſen ſind, ſich die Biſſen zu ſuchen, wo ſie
ihrer habhaft werden. Oftmals ſtanden ſie ſtill vor
glänzenden Ladenfenſtern, wo ihnen die Schätze der Welt
ins Auge ſtachen. Prachtvolle Wagen rollten an ihnen
vorüber, und wehe, wenn ſie den Hufen der Pferde oder
den Rädern zu nahe kamen! In Pelz gehüllte Herren
und Damen und Kinder drängten ſie unwillig zur Seite
und ſchritten mit behaglichem Lachen vorüber.
Es könnte manchmal ſcheinen, als ließe Gott die
Menſchen, ohne ſich um ſie zu bekümmern, gehen wie die
Fiſche im Meer. Aber hat er nicht ſeinen lieben Sohn
Jeſum Chriſtum zu uns geſandt und für uns in den
Tod hingegeben, damit wir durch ihn ſelig würden? Er
hat ein Vaterherz über alle Menſchen. In der Ewigkeit,
wenn der Vorhang des Leibes abgefallen iſt, wird es
offenbar werden, daß keins vergeſſen und verabſäumt war. —