Full text: Der Sohn des Millionärs

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Allmählich aber ward es Abend. Der Nebel, der 
den Tag über wie weggepuſtet war, ſtellte ſich wieder ein 
und ballte ſich ſo dick und dicht zuſammen, daß das 
Licht der Laternen faſt geſpenſterhaft daraus hervorſchien. 
Da war es keine Freude, um nichts und wieder nichts 
umherzulaufen. Das Auge ſah beinahe nichts mehr 
als die vorüberflatternden Schatten der Wagen und Fuß— 
gänger. Es war geradeſo, als gehörten ſie einer andern 
Welt an, wären weitab und ließen wie zum Spiel ihre 
Umriſſe herüberſchimmern. Es war aber ein gefährliches 
Spiel. Man mußte ſeine Sinne wohl zuſammennehmen, 
um ungeſtoßen und unverletzt zu bleiben. Solch Nebel 
in den belebten Straßen der Themſeſtadt bringt vielen 
einen Schaden, an dem ſie ihr Leben lang zu tragen haben, 
wenn ſie nicht bis auf den Tod verwundet werden. 
Anna war in dem Londoner Nebelleben zuhauſe, wie 
das Fiſchlein, das Klippen und Raubfiſche pfeilſchnell 
umſchwimmt, in der tiefen Flut. Sie hatte Jakob, der 
nicht ganz ſo ſicher war, der Vorſicht halber an der Hand. 
So huſchten ſie zu zweien mitten durch das Menſchen— 
und Pferdegewimmel hindurch. Zuerſt machte es ihnen 
ordentlich Spaß, ſich dabei ihrer Schnelligkeit und Ge— 
ſchicklichkeit bewußt zu werden. Bald genug aber ver— 
ging er ihnen, als ein kleiner, nicht minder flinker Kamerad 
beim Hinüberſpringen über die Straße zwiſchen die Räder 
eines Wagens geriet und verunglückte. 
„Es iſt ein Straßenaraber,“ riefen die Leute, die 
den armen blutenden Jungen aufhoben. — 
„Straßenaraber“ nennt man in London das umher 
ſchweifende kleine Geſindel, das bald da, bald dort auf— 
taucht, nimmt, wo es nicht geſäet hat, lebt, man weiß 
nicht, wovon und wozu, die Erde zum Bette, den Nebel
	        
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