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verſtand dann die Alte und ſagte: „Der Müller ſei
zufällig abweſend.“ Aber auch jetzt kam er noch nicht.
Erſt, wenn der Hilfeſuchende ungeduldig zu werden anfing,
erſchien er.
Sobald er aber auf die Schwelle trat, ſchwieg plötzlich
das Mühlengeklapper, und eine feierliche, man möchte ſagen
ergreifende Stille trat ein, die ſchon ihren Eindruck nicht
verfehlte.
Der Fremde wollte reden, aber der Müller winkte ihm
mit würdevoller Handbewegung zu ſchweigen. Ihm brauchte
niemand zu reden, er las es aus dem Geſicht und den
Händen des Beſuchers. Und er wußte in der Tat zum
grenzenloſen Erſtaunen der Leute oft vielmehr, als er oben
an dem Schallloch gehört hatte.
Zunächſt hatte er viele Spione, die ihm Nachricht zu
brachten, dann einen außerordentlichen Scharfblick, vereint
mit großer Menſchenkenntnis und einem bedeutenden Ver
mögen, richtige Schlußfolgerungen anzuſtellen.
So griff er ſelten fehl und wußte ſelbſt ſeine Fehlgriffe
wieder auf gewandte Weiſe zu benutzen.
War durch ſolcherlei Kunſtſtückchen der Hilfeſuchende
gehörig bearbeitet, ſo konnte die eigentliche Hexerei losgehen,
die dann mit ſolcher Feierlichkeit ins Werk geſetzt wurde,
daß den Betreffenden faſt der Atem vor Spannung verging.
Selbſt wenn der Hexenmüller nichts anderes wußte,
als daß er dem Patienten die Nägel ſchnitt, dieſe in ein
Stückchen Speck ſteckte und das Stückchen Speck einer
ſchwarzen Katze zu freſſen gab, oder daß er, um einen Dieb
zu entdecken, Figuren auf ein Stückchen holländiſchen Käſe
kritzelte und dieſes dem Beſtohlenen überlieferte, damit er
es ſeinem Hunde zu Hauſe zu freſſen gäbe, weil dieſer
nun durch ſein Anbellen den Dieb verraten würde ſo