Full text: Der Hexenmüller in der Wisper

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der Leichen. Daß noch jemand mit dem Leben davonge 
kommen ſein könnte, daran dachte niemand. 
Die armen eingeſperrten Kleinen hörten das Hämmern 
und Arbeiten, und Hoffnung wollte ſich bei ihnen regen. 
Aber als es wieder ſtill wurde, kam dumpfe Verzweiflung 
über ſie. 
Das Mädchen hatte noch mehr Mut und Gottvertrauen 
als der viel ältere Junge. Sie verwies ihm ſeine Ver— 
zagtheit und zeigte auf Geſchichten hin, wo Gott geholfen 
hat aus der größten Not. „Wo die Not am größten, iſt 
Gottes Hilfe am nächſten,“ ſagte ſie. „Denke an Daniel 
in der Löwengrube und an die Männer im feurigen Ofen.“ 
Aber auch ihr Mut brach zuſammen, als die Arbeit ganz 
aufzuhören ſchien. Sie betete lang und heiß, während 
der Knabe heulte und verzweifelt nach Hilfe ſchrie und 
die Ziege laut meckerte. 
Am andern Tage erzählte man ſich in den Dörfern, 
der „Schäfer Andres“ hätte am Forſthauſe eine Kinder 
ſtimme gehört und das Meckern einer Ziege. 
Man grub von neuem. 
Und ſiehe, das Unglaubliche wurde wahr. Man fand 
die Kinder nicht nur lebend, ſondern friſch und geſund, 
nachdem ſie acht Tage begraben geweſen waren. 
Wer beſchreibt die Freude der Kleinen bei ihrer endlichen 
Rettung, aber auch ihren Schmerz, als ſie erfuhren, daß 
ihre Eltern und ihre Geſchwiſter ſämtlich tot waren. 
Anfangs wollte jeder den wunderbar geretteten Kindern 
etwas ſchenken und für ſie ſorgen, aber der menſchliche 
Eifer in der Wohltätigkeit erlahmt gar ſchnell, und zu 
letzt blieb die Sorge für die Verwaiſten allein einem 
armen Walddörfchen, zu deſſen Gemeinde der Förſter ge 
hört hatte. 
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