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ſich, mit ſeinem Wort ein Unglück in das Haus zu rufen.
Geht nicht ein geheimes Grauen durch die Geſellſchaft,
wenn man plötzlich merkt, daß man zu „dreizehn“ zu Tiſche
ſitzt? Selbſt die feinſten Dämchen und vornehmſten Herren
ſchämen ſich ihrer Furcht nicht einmal. Denn der Aber
glaube ſpricht: „Noch in demſelben Jahre wird einer der
Geſellſchaft ſterben'. In den Dörfern dagegen kommt man
in tauſend Angſten, wenn ſich nachts ein Käuzchen, der
ſogenannte Totenvogel, auf das Haus ſetzt und ſein ‚„Kiwitt,
Kiwitt“ ertönen läßt. Denn dieſes Kiwitt, Kiwitt“ heißt
ja eigentlich: „Komm mit! Komm mit!“ und bald muß
einer aus dem Hauſe ſterben. Bis hier an den Trink
tiſch drängt ſich der Aberglaube. Beobachten Sie nur
einmal, meine Herren, den leichtſinnigen Proviſor, der
ſich eben aus ſeiner Weinflaſche in ein halbvolles Glas
einſchenkt. „Wiſſen Sie denn nicht, Sie Unglücklicher, daß
nach dem Volksglauben derjenige die Gicht bekommt, der
in ein noch nicht geleertes Glas friſch einſchenkt?““
„Gut, ſehr gut, ausgezeichnet!“ kicherte der Proviſor,
nachdem er ſich von ſeiner anfänglichen Verblüfftheit erholt
hatte.
„Ja, meine Herren,“ fuhr der Doktor fort, ſich mehr
ſeiner gewöhnlichen guten Laune hingebend, „die meiſten
wiſſen gar nicht, vor was man ſich alles zu hüten hat,
um nicht anzuſtoßen. Wer morgens aufſteht, darf ja nicht
mit dem linken Fuß zuerſt aus dem Bette treten, ſonſt
iſt er den ganzen Tag verdrießlich. Wenn man jemanden
beſucht, darf man ums Leben nicht ſtehen bleiben, ſondern
muß ſich ſetzen, um den Leuten nicht die Ruhe mitzunehmen.
Auch die Türe darf man nicht ſo hart zuſchlagen, wie da
unſer Oberförſtereiaſpirant, Otto Seebold, jetzt eben getan
hat, ſonſt wird einem nach dem Volksglauben auch die