Erſter Abend.
Alle Arbeiten ſind in die Schubladen gelegt, deren jedes Kind
eine für ſich hat. Die Aufgaben für den nächſten Tag ſind gelernt,
und man ſitzt jetzt in der Wohnſtube. Im Ofen brennt ein luſtiges
Feuer, verbreitet ſeinen Schein über den bunten Teppich und wird
von dem Spiegel an der Wand gegenüber zurückgeworfen. Die
Majorin ſitzt in einem Wiegeſtuhl mit ihrem Strickzeug in der Hand,
und die vier Mädchen ſitzen im Halbkreiſe um ſie, voller Erwartung,
das verſprochene Märchen zu hören.
Majorin. Da ihr nun eben eine Art Schule begonnen
habt und zwar, wie ich hoffe, mit dem feſten Vorſatz, recht fleißig
und tüchtig zu ſein, ſo will ich jetzt zu meiner erſten Erzählung ein
Märchen oder eine Art Fabel wählen, die da heißen mag:
Der Weg des Fleißes.
Die keine Bertha hatte das Unglück, keine Luſt zur Arbeit zu
haben. Beim Spielen war ſie ſehr fröhlich und erfinderiſch, aber
ſo bald es an's Lernen ging, waren Fröhlichkeit und Luſt zu Ende,
und ſo kommt man nicht weit. Ihre Eltern hatten für ſie und ihre
Schweſter eine tüchtige Lehrerin angenommen, die ſich alle Mühe
gab, ſie zu unterrichten, aber Bertha ſaß und dachte an andere
Dinge, wenn die Lehrerin mit ihr ſprach. Sie ſehnte ſich nur dar—
nach, daß die Schulzeit zu Ende ginge, und ſo blieb ſie denn dumm.