Full text: Kinderlust

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„Das habe ich wohl gedacht, daß es ſo kommen 
werde,“ ſprach die Mutter, „aber wenn ich es dir geſagt 
hätte, ſo würdeſt du es nicht geglaubt haben, darum 
ſollteſt du es ſelbſt einſehen lernen.“ 
39. Das verlorene Kind. 
Als ich noch ein Kind war, ging ich einmal mit 
meinem Großvater in das Feld. Mein Großvater ſagte: 
„Nimm dich in Acht, daß du nicht zurückbleibſt; bleibe 
immer bei mir, und komme gleich wieder, wenn du ein⸗ 
mal auf die Seite gehſt.“ — Ich war aber ein leicht⸗ 
ſinniges Kind und ſprang den Schmetterlingen nach und 
wollte Blumen pflücken und Erdbeeren ſuchen und vergaß, 
was mir der Großvater geſagt hatte. Eben hatte ich eine 
recht große Erdbeere gefunden und rief: „Sieh' einmal 
Großvater, wie ſchön!“ da wurde ich gewahr, daß er nicht 
mehr da war, und ich mochte mich umſehen, wie ich 
wollte, ich war allein. Da wurde es mir bange; ich rief 
laut: „Großvater, Großvater!“ — Aber Niemand ant⸗ 
wortete mir; denn ich war viel zu weit zurückgeblieben. 
Da fing ich an zu weinen und lief im Felde umher, denn 
ich hoffte immer noch meinen Großvater zu finden; aber 
ich fand ihn nicht. Ich kam an ein großes Kornfeld, da 
konnte ich weder vor mich, noch hinter mich ſehen, denn 
das Korn war größer als ich. Da wurde meine Angſt 
noch größer, und ich lief wieder zurück. Da kam ich an 
einen Bach, der war zu breit zum Darüberſpringen und 
zu tief, um dadurch zu gehen. Da dachte ich: „Ach, ich 
unglückliches Kind! jetzt muß ich die Nacht im Felde 
bleiben, und da werde ich vor Froſt und Hunger ſterben, 
oder die böſen Thiere werden kommen und mich freſſen. 
Ach, nun werde ich meine Mutter und Geſchwiſter nicht 
wieder ſehen. Und ich ſetzte mich auf das Gras und 
weinte laut. Auf einmal kam ein alter Bettelmann da⸗ 
her, ganz ſchmutzig und mit zerriſſenen Kleidern; aber ich 
war doch nicht bange; denn ich war froh, daß ich wieder 
einen Menſchen ſah, mit dem ich ſprechen und den ich 
fragen konnte.
	        
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