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ter in ſo herrlichen Kleidern ſah! Vor Schreck fiel ihr
der Prügel aus der Hand. Die Stieftochter nahm ihre
Mutter ganz freundlich auf und bewirthete ſie und erzählte
ihr, wie ſie ihr Glück gemacht habe.
Die Stiefmutter ging des andern Tages wieder nach
Hauſe und ſchickte nun ihre rechte Tochter auch in den
Wald, damit dieſe auch ſo glücklich würde. Die Tochter
hatte auch ein Töpfchen und ein Bischen Mehl mitge⸗
nommen und fing nun an, ihren Brei zu kochen. Da
kam das kleine graue Männchen zu ihr und fragte:
„Was kochſt du da?“ — „Einen Brei,“ ſagte ſie. Da⸗
rauf ſprach das Männlein: „Laß mich deinen Löffel ab⸗
lecken.“ — „Nein,“ ſagte das Mädchen trotzig, „ich kann
ihn ſelbſt ablecken!“ — Dann ſetzte ſich das Mädchen
hin und aß den Brei allein, und das Männchen ſah zu,
und als das Mädchen fertig war, da nahm das Männ⸗
chen das Mädchen und zerriß es in tauſend Stücke und
hängte ſie an die Bäume.
Nun ging die Mutter, ihre rechte Tochter zu ſuchen
und meinte ſie in dem prächtigen Schloſſe zu finden.
Als ſie in die Nähe kam, wo ihre Tochter in Fetzen hing,
dachte ſie, die Tochter habe dort Wäſche aufgehangen.
Wie groß aber war ihr Schrecken und ihr Jammer, als
ſie näher kam und ſah, was geſchehen war. Sie fiel
ohnmächtig zur Erde nieder, und ich weiß nicht, ob ſie
wieder nach Hauſe gekommen iſt.
530. Das Kind und das Feuer.
Mutter: Kind, folge mir und ſpiele nicht
Mit kleinen Spänchen an dem Licht!
Das Flämmchen macht gar arge Pein,
Es brennt ſogleich dein Fingerlein.
Kind: O nein! das kleine Flämmchen,
Iſt ſtill ja, wie ein Lämmchen.
Schau', Mutter, wie's ſo luſtig ſcheint;
Das Flämmchen es nicht böſe meint.