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davon zu eſſen, aber ſie dachte auch ſogleich daran, daß die
Mutter ihr das Naſchen verboten hatte, darum ſtieg ſie
raſch vom Stuhl herab und nahm ihr Strickzeug wieder
in die Hand. Bald darauf kam die Mutter herein und
Julchen fragte: „Was ſteht denn da auf dem Ofen, Mut⸗
ter?“ — „Das iſt Gift für die Fliegen,“ antwortete die
Mutter, „dieſe ſterben davon, und wenn du davon äßeſt,
würdeſt du krank werden und auch ſterben müſſen. Ich
habe darum den Teller ſo hoch geſtellt, damit du nicht
daran kommen ſollteſt.“ — Da erzählte Julchen der Mut—
ter, daß ſie auf den Stuhl geſtiegen ſei, um in den Teller
zu ſehen. Ich wollte auch ſchon davon prüfen, aber ich
dachte gleich daran, daß ich das nicht dürfe.
„Siehſt du, Julchen,“ ſagte die Mutter, „wie gut
es iſt, wenn die Kinder den Eltern gehorſam ſind?
Wie manches Kind iſt ſchon unglücklich geworden, weil
es ſich das Naſchen angewöhnt hat. Manches Gift ſieht
gerade ſo aus wie Zucker, und wenn man davon gegeſſen
hat, kann oft kein Doktor mehr helfen.“ — „Habe nur
keine Angſt um mich,“ ſagte Julchen, „ich werde gewiß
nicht mehr naſchen.“
47. Hänschen und Gretchen.
Hänschen und Gretchen waren zwei arme Waiſenkin⸗
der, denn ihre Eltern waren beide geſtorben, und Nie⸗
mand ſorgte für ſie. Sie gingen in die weite Welt
hinaus und kamen eines Tages in eine Hütte, worin eine
arme Familie wohnte. Als die Frau von den Kindern
hörte, ſie hätten keinen Vater und keine Mutter mehr,
ſagte ſie zu ihrem Manne: „Laß uns doch die Kinder
behalten und ihnen Vater und Mutter ſein.“ Der Mann
aber ſchüttelte den Kopf und ſagte: „Wir haben ja ſelber
faum Brod und Kleidung, wie können wir dann noch
fremde Kinder in's Haus nehmen?“ Die Frau aber
hörte nicht auf zu bitten, bis der Mann Ja ſagte.
Wie freueten ſich da die Kinder, als ſie hörten, daß
ſie da bleiben dürften. „Wir wollen auch recht fleißig