45. Das gute Mädchen.
Bertha, ein liebes Mädchen, hatte immer von ihrer
Mutter gehört, man müſſe die alten Leute ehren, höflich
gegen ſie ſein und ihnen gern einen Dienſt leiſten.
Eines Tages hatte ſie auf ihrem kleinen Schiebkar—
ren einen Korb voll Obſt nach der Tante gefahren und
kam mit dem leeren Karren wieder zurück. Auf dem
Wege traf ſie einen armen, alten Mann, der eine kleine
Bürde Brennholz trug. Sie ſah, daß dem Manne die
Laſt ſo ſchwer war und ſagte: „Lieber Mann, legt das
Holz da auf meinen Schiebkarren, dann fahre ich es Euch
nach Hauſe.“
„Du gutes Kind,“ ſagte der Mann, „Gott wird es
dir lohnen, daß du ſo freundlich gegen mich biſt; aber
ich glaube, es wird dir die Laſt zu ſchwer ſein.“
„O nein,“ ſagte Bertha, „ich bin ſtark, Ihr ſollt es
ſehen. Was man gerne thut, wird einem nicht ſchwer.“
Und ſie ſchob nun das Holz nach dem Hauſe des armen
Mannes. Auf dem Wege dahin kam ſie an ihrem Hauſe
vorbei, und ihre Mutter ſtand gerade am Fenſter und
ſchaute hinaus.
Als ſie ihre Tochter ſah, wie ſie die Laſt ſo freudig
vor ſich hinſchob, da wurden ihre Augen naß und eine
helle Thräne lief daraus die Wange herab. Wißt ihr
warum?
Und als das Kind nach Hauſe kam, drückte die
Mutter es an ihr Herz, küßte es und ſprach: „Bertha,
das war brav von dir!“ Und das Kind war ſo froh
und fühlte ſich ſo glücklich, als wenn man ihm die größte
Freude gemacht hätte.
46. Das gehorſame Julchen.
Julchen ſah auf dem Ofen einen Teller ſtehen. Sie
war allein in der Stube und dachte: „Was mag doch
wohl in dem Teller ſein?“ Schnell nahm ſie einen Stuhl,
ſtieg hinauf und ſah etwas Weißes auf dem Teller, das
wie Zucker ausſah. Es kam ihr die Luſt an, etwas