Full text: Kinderlust

ob da etwas für ſie wäre. Aber ach! dort lag ja auch 
überall der Schnee. Da ſammelte die kleine Mina die 
Brodkrümchen vom Tiſche und trug ſie des Morgens, des 
Mittags und des Nachmittags hinaus in den Garten 
hinter dem Hauſe und ſtreute ſie hin, und die Vöglein 
kamen und pickten ſie auf. 
Dem Mädchen aber zitterten die Hände vor Froſt 
in der bittern Kälte, aber ſie machte ſich nichts daraus, 
denn ſie dachte: „Die Vöglein dürfen doch nicht todt 
hungern.“ 
Der Vater und die Mutter ſtanden am Fenſter und 
ſahen zu, wie Mina die Vöglein fütterte. Als ſie wie⸗ 
der herein kam, fragte der Vater: „Warum thuſt du das, 
Mina?“ 
„Es iſt ja Alles mit Schnee bedeckt,“ ſagte das Kind, 
„und die armen Thierchen haben ſo großen Hunger; 
darum füttere ich ſie, ſo wie die reichen Leute die armen 
ernähren.“ 
Da ſagte der Vater: 
Alle verſorgen?“ 
Die kleine Mina antwortete: „Thun denn nicht alle 
Kinder in der ganzen Welt wie ich?“ 
„Es wäre ſchön, wenn alle Kinder ſo thäten“, ſagte 
der Vater, „aber die meiſten ſorgen nur für ſich, und 
wenn ſie ſatt ſind, denken ſie nicht an die hungrigen 
Vöglein.“ 
Im nächſten Frühjahre hatten viele Vöglein in dem 
Garten, wo Mina ſie gefüttert hatte, ihr Neſt gebaut und 
ſangen gar fröhliche Liedchen vom Morgen bis zum Abend. 
„Siehſt du, Mina,“ ſagte der Vater, „wie dankbar deine 
Vöglein ſind? Weil du ihnen eine Freude gemacht haſt, 
wollen ſie dir auch wieder eine Freude machen. Auch die 
Thiere lieben den, der ihnen Gutes thut.“ 
„Aber du kannſt ſie doch nicht 
12. Selig ſind die Barmherzigen. 
Es war ein harter Winter. Draußen lag der Schnee 
und das Waſſer war zugefroren. Die Knaben hatten im
	        
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