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Als die Mutter fort war, kam Nachbars Fritz, ein
gar wilder Knabe, an das Fenſter, das die Mutter offen
gelaſſen hatte und rief: „Minchen, komm' heraus, wir
wollen mit einander ſpielen auf dem Kirchplatz.“ —
„Nein,“ ſagte Minchen, „meine Mutter hat es mir ver
boten, ich darf nicht fortgehen, bis ſie wieder kommt.“ —
„Ei, das iſt nicht ſchlimm,“ ſagte Fritz, „komm' nur,
ich gebe dir auch mein ſchönes Meſſer und einen Gummi⸗
ball, wenn du mit mir gehſt.“ — „Nein, ich komme
nicht,“ ſagte Minchen, „bis die Mutter wieder hier iſt.“
— „Sei doch nicht ſo närriſch,“ ſagte Fritz, „ich ſollte
auch zu Hauſe bleiben, hat meine Mutter geſagt, und ich
bin doch gegangen; was thut das, wenn die Mutter auch
ein Bischen zankt.“ — Minchen antwortete nicht mehr,
und da ging der böſe Fritz endlich fort und ſuchte andere
Kinder auf, um damit zu ſpielen. Nach einer Weile kam
die Mutter zurück vom Markte. „Mutter,“ ſagte Min-⸗
chen, „der Fritz war hier am Fenſter und wollte, daß
ich hinausgehen und mit ihm ſpielen ſollte; ich habe es
aber nicht gethan, weil du es mir verboten haſt.“ —
„Das iſt brav von dir,“ ſagte die Mutter, „dafür habe
ich dir auch etwas mitgebracht;“ und ſie gab Minchen
Aepfel und Pflaumen. Als Minchen dieſe aß, hörte man
im Hauſe des Fritz ein gewaltiges Schreien. Es war der
Fritz, der ſo laut ſchrie. Seine Mutter hatte dies Mal
nicht ein Bischen gezankt, ſondern die Ruthe gebraucht,
und die ſchmeckt nicht ſo gut, als Aepfel und Pflaumen
vom Markte.
39. Das gute Kind.
Erzähler: Es war einmal ein gutes Kind,
Die Eltern liebten's beide;
Denn was ſie wollten that's geſchwind
Zu ſeiner Eltern Freude.
Zuhörer: Das war ein gutes, liebes Kind;
Erzähle noch weiter vom guten Kind!