100
die Vögel hören konnten. — „Im! Hm!“ ſagten die Bei⸗
den, „die Menſchen verſtehen auch nicht, was ſchön iſt.“
17. Die Windmühle.
Ein junges Täubchen wollte nicht mehr bei ſeiner
Mutter im Neſte bleiben. „Ich bin ja groß genug und
auch klug,“ ſagte es, „ich kann ſchon allein durch die Welt
kommen.“ Und es flog fort und blieb einen ganzen Tag
aus. Des Abends aber kam es wieder und ſo eilig und
voll Schrecken, daß die alte Taube verwundert fragte:
„Was fehlt dir doch?“ — „Ach, Mutter,“ ſagte das
Täubchen, und zitterte dabei am ganzen Leibe, „ach,
Mutter, du kannſt dir gar nicht denken, was für große
und böſe Thiere es draußen in der Welt gibt.“ —
„Nun,“ ſagte die Mutter, „du biſt doch nicht mit einer
Katze zuſammen gekommen? Du weißt, ich habe dir immer
geſagt: Bleibe weit weg von dieſen Thieren!“ — „Nein,
nein, Mutter!“ ſagte das Täubchen, „ich bin einer Katze
nicht nahe gekommen. Ja, die Katze kenne ich ſchon gut
und werde mich ſchon vor ihr in Acht nehmen.“ — „Dann
hat dich gewiß ein böſer Raubvogel gejagt?“ fragte die
Mutter voll Mitleid. „Du hätteſt ihm auch nicht ſo nahe
fliegen ſollen! Habe ich dir nicht oft geſagt: Katzen und
Raubvögel ſind böſe Feinde!?“ — „Ach, Mutter,“ ſagte
das Täubchen, „du hältſt mich auch für gar zu dumm.
Den böſen Thieren, den Katzen, Habichten und Eulen
fliege ich aus dem Wege; aber das abſcheuliche Thier,
welches mich bald aufgefreſſen hätte, ſieht gar nicht ſo aus,
wie ein anderes Thier. Es ſaß auf einem Berge und
ſchlief, darum konnte ich ſeine Füße nicht ſehen. Seine
Flügel aber waren ſo groß, wie die Wand eines Hauſes;
darum glaubte ich anfangs nicht, daß es Flügel von einem
lebendigen Thiere wären und ſetzte mich auf die Spitze
des einen Flügels. Aber plötzlich wurde das Thier wach,
und ſchlug muͤ den Flügeln ſo gewaltig, daß ich weit
weg geworfen wurde, und ich hörte ein Sauſen hinter
mir, als wenn der Sturm gegen unſer Haus ſchlägt.