Full text: Volksmärchen der Deutschen

Namen rief. „Armer Schwätzer,“ ſprach er, „wer hat dich ge 
lehrt, dieſen Namen auszuſprechen, der einem Unglücklichen 
zugehört, welcher wünſcht, von der Erde vertilgt zu ſein?“ 
Hierauf faßte er einen Stein und wollte ihn nach dem Vogel 
ſchleudern, als dieſer den Namen Emma hören ließ. Dieſer 
Talisman entkräftete den Arm des Prinzen, frohes Ent 
zücken durchſchauerte alle ſeine Glieder, und in ſeiner Seele 
bebte es leiſe nach: „Emma!“ Aber der Sprecher auf dem 
Baum begann den Spruch, der ihm gelehrt ward. Fürſt 
Ratibor vernahm nicht ſobald dieſe fröhliche Botſchaft, ſo 
ward's hell in ſeiner Seele; der Gram verſchwand; er kam 
wieder zu Gefühl und Beſinnung und forſchte mit Fleiß nach 
den Schickſalen der holden Emma; aber die Elſter konnte 
nichts als mechaniſch ihre Lektion ohne Aufhören wieder 
holen und flatterte davon. Schnellfüßig eilte Ratibor zu 
ſeinem Hoflager zurück, rüſtete eilig ſeine Reiſigen und zog 
mit ihnen hin, das Abenteuer zu beſtehen. 
Emma hatte unterdeſſen alles vorbereitet, ihr Vorhaben 
auszuführen. Sie ließ ab, den Gnomen mit Kaltſinn zu 
quälen, ihr Auge ſprach Hoffnung, und ihr ſpröder Sinn 
ſchien beugſamer zu werden. 
Den folgenden Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, 
trat die ſchöne Emma geſchmückt wie eine Braut hervor, 
mit allem Geſchmeide belaſtet, das ſie in ihrem Schmuck— 
käſtlein gefunden hatte. Ihr blondes Haar war in einem 
Knoten geſchürzt, welchen eine Myrtenkrone überſchattete; 
der Beſatz ihres Kleides flinkerte von Juwelen, und da 
ihr der Gnome im Luſtgarten entgegenwandelte, bedeckte ſie 
züchtiglich mit dem Ende des Schleiers ihr Angeſicht. „Himm⸗ 
liſches Mädchen,“ ſtammelte er ihr entgegen, „laß mich die 
Seligkeit der Liebe aus deinen Augen trinken und weigere 
mir nicht länger den bejahenden Blick, der mich zum glück⸗ 
lichſten Weſen macht, das jemals die Morgenſonne beſtrahlt 
hat! Hierauf wollte er ihr Antlitz enthüllen, um ſein Glück 
aus ihren Augen zu leſen. Das Fräulein aber machte ihre 
Schleierwolke noch dichter um ſich her und ſprach beſcheident⸗ 
lich alſo: „Vermag eine Sterbliche dir zu widerſtehen, Ge⸗ 
bieter meines Herzens? Deine Standhaftigkeit hat obgeſiegt. 
Nimm dies Geſtändnis von meinen Lippen; aber woran ſoll ich
	        
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