Full text: Volksmärchen der Deutschen

bei beſtellte er einen ſeiner Geiſter als Hüter, dem er auf 
gab, ein unterirdiſches Feuer anzuſchüren, um die Saat von 
unten herauf mit linder Wärme zu treiben. 
Die Rübenſaat ſchoß luſtig auf und verſprach in kurzer 
Zeit eine reiche Ernte; Emma ging täglich hinaus auf ihr 
Ackerfeld, aber üble Laune und Mißmut trübten ihre Augen. 
Sie weilte am liebſten in einem düſtern Tannenwäldchen 
am Rande eines Quellbaches, der ſein ſilberhelles Gewäſſer 
ins Thal rauſchen ließ, und warf Blumen hinein, die in den 
Odergrund hinabfloſſen. 
Der Gnome ſah wohl, daß bei dem ſorgfältigſten Be 
ſtreben, durch tauſend Gefälligkeiten ſich in der ſchönen Emma 
Herz zu ſtehlen, ihr keine Liebe abzugewinnen war. Dem 
ungeachtet ermüdete ſeine Geduld nicht, durch die pünktlichſte 
Erfüllung ihrer Wünſche ihren ſpröden Sinn zu überwinden. 
Aber der Neuling in der Menſchenkunde hatte keine Ge 
danken von der wahren Urſache dieſer Widerſpenſtigkeit ſeiner 
Herzensgebieterin; er nahm als etwas Ausgemachtes an, daß 
ihr Herz ſo frei und unbefangen ſei als das ſeine, und war 
der Meinung, dasſelbe gehöre nach allen Rechten ihm als 
dem erſten Beſitznehmer zu. 
Doch das war ein großer Irrtum. Ein ſchleſiſcher 
Fürſt Ratibor hatte ſchon früher das Herz der ſchönen Emma 
gewonnen. Schon ſah das glückliche Paar dem Tage der 
Vereinigung entgegen, da die Braut mit einem Mal ver 
ſchwand. Dieſe peinliche Nachricht verwandelte den lieben 
den Ratibor in einen raſenden Roland. Er verließ ſeine 
Reſidenz, zog menſchenſcheu in einſamen Wäldern umher und 
klagte den Felſen ſein Unglück. Die treue Emma ſeufzte 
unterdeſſen ihren Gram in dem anmutigen Gefängnis aus, 
verſchloß aber ihre Herzgefühle ſo feſt in ihrem Buſen, daß 
der Gnome nicht enträtſeln konnte, was für Empfindungen 
ſich darin regten. Lange ſchon hatte ſie darauf geſonnen, 
wie ſie ihn überliſten und der Gefangenſchaft entrinnen 
möchte. Nach mancher durchwachten Nacht ſann ſie endlich 
einen Plan aus. 
Der Lenz kehrte zurück, der Gnome ließ das unter⸗ 
irdiſche Feuer in ſeinem Treibhaus ausgehen, und die Rüben 
gediehen zur Reife. Emma zog täglich einige davon aus 
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