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hielt ſich meiſt ſchweigſam oder wechſelte nur einige leiſe
Worte mit Fräulein Delf und Roſy, zwiſchen denen er
ſaß. Die junge Frau bemerkte, daß ſein ſcharfes, dunkles
Auge ſie ſehr viel betrachtete, begegnete es jedoch einem
zufälligen Aufblick des ihrigen, ſo glitt es ſchnell unter
das ſchmale Augenlid, das ſich wie ein ſchützender Vorhang
herabſenkte.
Unwillkürlich mußte Jutta dann des flüchtigen Ein⸗
drucks gedenken, den ihr dies Geſicht beim Ausſteigen aus
dem Wagen gemacht, der ſtechenden Feindſeligkeit, die darin
lag. Aber ſie meinte doch durch Zufälligkeiten getäuſcht
worden zu ſein, denn, wenn auch die Empfindungen des
jungen Herrn vielleicht nicht angenehm waren, bei der An—
kunft ſeines Onkels, ſo war doch das gewiß nur ſeine
eigene Schuld, und nicht die der neuen Tante.
Jedenfalls ließ er es durchaus nicht an Höflichkeit
für dieſe fehlen. Als man ſich vom Tiſch erhob, um im
Wohnzimmer den Kaffee zu nehmen, beeilte er ſich, die
Thür zu öffnen und, da der Onkel ſeine Frau zum Sopha
geführt hatte, brachte Franz einen Schemel, den er unter
ihre Füße ſchob. Er rückte die Lampen gerade und nahm
Fräulein Delf die Taſſe ab, die ſie voll geſchenkt, um ſie
Frau van Smitten zu bringen, und da dann die Erzieherin
mit einigen leiſen Worten Roſy veranlaßte, das Zimmer
mit ihr zu verlaſſen, machte er ſeiner neuen Tante eine
tadelloſe Verbeugung und entfernte ſich ebenfalls.
„Was für eine Bewandtnis hat es denn mit dem
Hierſein Deines Neffen, lieber Daniel?“ fragte ſie ſogleich.
„Den wahren Sachverhalt weiß ich ſelbſt noch nicht,
mein Liebling!“ entgegnete der Gatte, froh, ſie wieder