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Und war nicht dieſe Liebe, die göttliche Vaterſorge
ihre einzige Zuflucht, ihre Heimat? — Sie hatte ſonſt keine,
auch bei der Schweſter nicht! — Leonie war gut, aber
Jutta hatte es leicht herausgehört, daß ſie es eigentlich
recht in Verlegenheit ſetzte, die verwaiſte Schweſter einladen
zu müſſen, weil, wie ſo häufig in eleganten großſtädtiſchen
Einrichtungen, kein Raum für ſie war, wie Frau von
Guttendorf ihn zu bieten wünſchte.
Nein, nach der Hauptſtadt wollte Jutta nicht, aber
wo ſollte ſie bleiben, was ſollte mit dem ſo wohl ver⸗
ſehenen väterlichen Hausſtande werden, wenn ſie jetzt, wie
es ſich von ſelbſt verſtand, den Mietskontrakt über die kleine
Villa kündigte? —
Mit den Gefchwiſtern hatte ſie dies kaum noch be⸗
ſprochen. Sie hatten ſobald wieder abreiſen müſſen und
das Nächſtliegende hatte die kurze Zeit des Beiſammen⸗
ſeins ausgefüllt. Herr von Guttendorf war auch nicht der
Mann, um ein junges Mädchen zu beraten. Der gelehrte
Offizier, der eben in den Generalſtab berufen worden, hatte
ſo viel anderes zu bedenken, er hatte für den eigenen
Hausſtand ſo viel zu ſorgen und war vor allem ſo über—
aus zurückhaltend, daß es ſchon einer direkten Aufforderung
und Anfrage bedurft hätte, wenn er ſich eingehend mit
Juttas Zukunft beſchäftigen ſollte. Wiederholt hatte er ihr
mit aufrichtiger Wärme, wenn auch in möglichſt knapper
Ausdrucksweiſe geſagt, daß er ſein Haus nunmehr als ihre
Heimat betrachte und daß er hoffe, ſie würde ſich mit Leonie
über alles Andere verſtändigen.
„Du mußt natürlich zu uns kommen, ſobald Du es
mit der langweiligen Tante Tine nicht mehr aushalten