Full text: Des Herzens Heimat

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liebte ihrer Jugend, ſie hatten ſich wiedergefunden; — die 
Leidenſchaft war erwacht, — was war dagegen die kühle 
Bande, die ſie an ihn, an Daniel gekettet? 
Und doch! — Er hatte ſie ſo unausſprechlich geliebt, 
ſie war ſo wahr, ſo innig, ſo edel in allem; ſie hatte ihm 
ja nie eine Liebe geheuchelt, wie ſie ſie zuerſt nicht empfinden 
konnte, aber je länger, je mehr hatte er empfinden dürfen, 
daß ſie ihn immer lieber gewann, daß ſie die Seine war! 
Und jetzt! — 
Was ſollte er thun? War es nicht ſchon eine Er⸗ 
niedrigung ſeiner ſelbſt, eine Schmach für ſie, daß er die 
hinterliſtige That des Neffen, ihren Brief aufzufangen und 
zu leſen, ſtillſchweigend hatte hingehen laſſen, ja, daß er 
ſich daran beteiligte, indem er ſelbſt von dem Inhalt 
Kenntnis nahm? — Aber was galt ihm dieſes unreifen 
Knaben, was galt ihm der ganzen Welt Urteil, alle äußere 
Ehre und Geltung, wenn er Jutta verlieren ſollte, wenn ſie 
ſich ſelbſt verlor? 
Nein, das durfte nicht ſein! Er mußte ſie retten. 
Konnte er, mußte er nicht ihr Freund und Berater ſein, 
hatte er es nicht heilig verſprochen an jenem Abend auf 
der Höhe in Brunnweiler? 
Sie war bethört, verlockt, er mußte ſie vor ſich ſelbſt, 
vor der Sünde ſchützen. 
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