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Nach ihrem Urteil trug eigentlich Pfarrer Winter die
größte Schuld an allem geſchehenen Unheil.
„Kann er dafür, daß ſeine Frau ihm untreu wird und
ſich dann wieder von ihrem Liebhaber verlaſſen ſieht?“ fragte
Herr van Smitten.
„Gewiß kann er dafür!“ rief Jutta lebhaft. „Wie
jeder Mann, der die Neigung ſeiner Frau beſeſſen hat und
ſie ſich dann entwenden läßt!“
Daniel ſchwieg, das Geſpräch wurde ohnehin unter⸗
brochen; aber er hätte auch nichts ſagen mögen. Er befand
ſich in einer ſeltſamen Lage; der noch vor kurzem ſo glück⸗
liche und verſtändige Mann fühlte ſich verworren, ratlos
und zuweilen faſt in Verzweiflung.
Er wurde irre an ſeiner über alles geliebten Jutta!
Ganz zufällig hatte ein Zuſammenſein mit Herbert und
Jutta eine unbedeutende Erwähnung zwiſchen dieſen beiden,
mit der ſie arglos einer früheren Zeit in der Reſidenz ge⸗
dachten, ihm einen plötzlichen Argwohn erweckt.
Die Bemerkung ließ annehmen, daß beide damals zu
gleicher Zeit etwas gekannt und erfahren hätten, und Herr
van Smitten, der durch Nina, durch Franz, durch ſich ſelbſt
aus ſeiner ſchönen, unbefangenen Sicherheit aufgeſtört, alles
beobachtete, was zwiſchen ſeiner Frau und Herbert vorging,
kam plötzlich auf die Idee, den letzteren in Zuſammenhang
mit Juttas erſter Liebe zu bringen, ja in ihm den Gegen⸗
ſtand derſelben zu ſehen.
Der Gedanke verſtörte ihn ganz und ließ ihm keine Ruhe.
Bei nächſter Gelegenheit fragte er ſeinen Neffen anſcheinend
leichthin, wie er eigentlich darauf gekommen ſei, zu glauben,
Herr Herbert wolle für einen gebornen Amerikaner gelten,