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im Winter'ſchen Hauſe, beeilte ſich Jutta, dem an ſie er⸗
gangenen Ruf zu folgen und es bewährte ſich hier wieder,
daß einfache Wahrheit und Herzensgüte in Sachen des
Gemüts weit mehr ausrichten als Genie und Weltklugheit!
Die erſten Worte Juttas: „Wie hart ſind Sie geſtraft,
arme, arme Frau!“ mit denen ſie Nina entgegen trat, waren auch
die erſten, die Eingang fanden in das verzweifelnde Herz!
Sie war geſtraft! Das war gut, das wollte ſie ja! — Die
anderen redeten vom unglücklichen Zufall, von Ergebung in
den unerforſchlichen Willen Gottes, der das Kind früh habe
zu ſich nehmen wollen, — das war ja alles nicht wahr!
Sie ſah ja jetzt mit einemmale alles klar vor ſich! Ihre
Mädcheneitelkeit, mit der ſie für Pfarrer Winter ſchwärmte,
ihr Ungenügen nachher an ihm und allem, was ihr gegeben,
ihr Jagen nach Zerſtreuung, ihr Verlangen nach beſonderem
Reiz für Geiſt und Sinne, der Leichtſinn, mit dem ſie ſich
in ein frivoles, geradezu verbrecheriſches Verhältnis einge⸗
laſſen, das erkannte ſie ja deutlich, das mußte, mußte geſtraft
werden und deshalb wurde ſie die Mörderin ihres Kindes!
Die grauſame und troſtloſe Wahrheit ſtrömte, von
Juttas einfachen Worten hervorgelockt, gewaltſam aus dem
Innern der Unglücklichen. Wie ein entfeſſelter Bergſtrom
ſtürzte ihre Rede hervor, jede Erwiderung überflutend;
aber Jutta erwiderte auch nichts, und der hilfloſe Mann, der wie
ein unbeachteter Fremder dabei ſaß, der Gatte, der ſeinem
Weibe hätte Halt und Stütze ſein ſollen vom Tage der
Trauung an, er mußte ſein Urteil von ihren Lippen hören.
Er war es auch geweſen, der das verhängnisvolle
Billet von Baron Burgwart aufgehoben hatte, das noch
nach einer kühlen Bitte um Entſchuldigung ſeiner Heftigkeit