Full text: Des Herzens Heimat

voll unſäglichen Leidens erloſch die letzte Hoffnung, und der 
Körper des ſchönen, vor kurzem noch ſo lebensvollen Kindes 
lag ſtarr und kalt vor den Augen der unglückſeligen Mutter. 
„Ich habe ſie umgebracht!“ ſagte ſie zu dem troſt⸗ 
loſen Gatten, der bitterlich weinte, während ſie keine Thräne 
fand. Mit unheimlicher Geläufigkeit, mit rückſichtsloſer, 
abſtoßender Offenheit erzählte ſie alles, was der Tag 
gebracht: die Szene mit Baron Burgwart, ihre Fahrt nach 
Marſtein, ihre Heimkunft, das Billet, des Kindes lieb— 
koſende Annäherung und ihr Zurückſtoßen. 
„Ich bin die Mörderin!“ ſagte ſie. „Klage mich an, 
ſchicke an die Gerichte, ich will mein Urteil haben! Das 
Kind muß gerächt werden!“ 
Sie ging ruhelos umher, auf alles Zureden ihres 
Mannes, daß ſie Frieden geben möge, daß der arme, kleine 
Engel keine Rache begehre, daß ſie an den Sohn, der ihr 
geblieben, denken ſolle, immer dasſelbe erwidernd. 
Man hatte ihre Eltern benachrichtigt, ſie waren ge⸗ 
kommen, Bekannte und Freunde ebenfalls; aber Nina ſuchte 
ſich ſcheu jeder Annäherung, jeder Anſprache zu entziehen, 
ſie ſchloß ſich mit der Leiche des Kindes ein, raſtlos im 
Zimmer umhergehend, laut redend, immer dasſelbe, daß 
ſie die Mörderin ihres Kindes ſei. 
Ihre Mutter, eine Frau von Welt, die immer viel 
zu ſagen wußte, machte jetzt mit all ihren Worten keinen 
Eindruck auf die verſtörte Seele, ſie ſorgte daher für die 
AÄußerlichkeiten des troſtloſen Hausſtandes und riet ihrem 
Schwiegerſohn, Frau van Smitten um ihren Beiſtand für 
Nina zu bitten, da dieſe beſonders viel von ihr halte. 
Aufs tiefſte erſchüttert von der Nachricht des Unglücks
	        
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